Notrecht: Geld im Ausnahmezustand

Nr. 43 –

Ist es rechtens, die UBS am Parlament vorbeizuretten?

Der Bundesrat hat die UBS mit Polizeinotrecht gerettet – nicht mit Kriegsrecht, wie es mancherorts hiess. Doch der Artikel 185 der Bundesverfassung, auf den sich der Bundesrat in seiner Notverordnung unter anderem beruft, klingt schauerlich genug. Dieser Artikel beschäftigt sich mit der «äusseren und inneren Sicherheit» und erlaubt zum Beispiel, dass der Bundesrat «in dringlichen Fällen Truppen aufbieten kann». Im konkreten Fall geht es jedoch nur um Absatz 3, der dem Bundesrat erlaubt, «Verordnungen und Verfügungen zu erlassen, um eingetretenen oder unmittelbar drohenden schweren Störungen der öffentlichen Ordnung oder der inneren oder äusseren Sicherheit zu begegnen».

Genau das hat der Bundesrat getan, als er am Mittwoch vergangener Woche um 18 Uhr – unter Ausschluss des Parlamentes und der Öffentlichkeit – die «Verordnung über die Rekapitalisierung der UBS AG» in Kraft setzte. Darin verpflichtet er sich, der UBS mit sechs Milliarden Franken beizustehen.

Befristet?

Darf der Bundesrat das überhaupt? Eva-Maria Belser, Professorin für Staatsrecht an der Universität Freiburg, erklärt, der besagte Artikel gebe dem Bundesrat tatsächlich grossen Spielraum. Er habe ihn denn auch schon des Öftern genutzt, zum Beispiel als es darum ging, die Gelder des philippinischen Diktators Ferdinand Marcos auf Schweizer Banken einzufrieren oder die al-Kaida in der Schweiz zu verbieten. Belser
geht davon aus, dass die Notverordnung nicht gegen die Verfassung verstösst, weil offenbar eine unmittelbar schwere Störung gedroht habe, die zeitliche Dringlichkeit wie das öffentliche Interesse und die Verhältnismässigkeit seien vermutlich auch gegeben gewesen. Allerdings fehlten im Moment zu viele Informationen, um abschliessend beurteilen zu können, ob es wirklich die geeignete Massnahme gewesen sei.

Belser wirft jedoch eine andere Frage auf: «Wie sieht es mit der Befristung aus?» Die Bundesverfassung sieht ausdrücklich vor, dass solche Notverordnungen «zu befristen sind». Nirgends steht, ob das in diesem Fall überhaupt möglich ist. Wenn die sechs Milliarden Franken bereits bezahlt sind, erhält der Bund sein Geld erst wieder, falls alles gut läuft und er die Wandelanleihen mit Erfolg veräussern kann.

Ganz oder gar nicht

In den USA lag zuerst ein vergleichbares Paket vor, das jedoch zuerst im Parlament durchfiel und nachgebessert werden musste. In der Schweiz ist dies voraussichtlich gar nicht möglich. Zwar präsentiert die SP alternative Vorschläge, doch ist höchst fraglich, ob das Parlament das Paket des Bundesrates noch beeinflussen kann.

Beim Eidgenössischen Finanzdepartement (EFD) heisst es, Anfang November komme eine Botschaft zur Sechs-Milliarden-Verordnung ins Parlament. Es könne jedoch nur «das Gesamtpaket annehmen oder ablehnen», sagt Roland Meier, Pressesprecher des EFD. Und was passiert, wenn es abgelehnt wird? «Dann haben wir ein Problem.» Und wie genau sieht dieses Problem aus? «Das ist die offizielle Sprachregelung: Dann haben wir ein grosses Problem.» Genauer könne er das nicht sagen, der Bund sei bereits Verpflichtungen eingegangen, die nicht rückgängig gemacht werden könnten.

War der Bankrat informiert?

Die Nationalbank übernimmt für sechzig Milliarden Schweizer Franken die faulen Kredite der UBS - das ist mehr als das jährliche Budget des Bundes. Wer hat diesen Entscheid abgesegnet? Der Bundesrat hat gegenüber der Nationalbank (SNB) explizit keine Weisungsbefugnis, damit er in schwierigen Zeiten nicht auf die Notenpresse zugreifen kann. Die Steuerung und Kontrolle der Nationalbank läuft über die Personalpolitik: Der Bundesrat bestellt mehr als die Hälfte der Mitglieder des Bankrates, des Aufsichtsorgans der SNB. Das dreiköpfige SNB-Direktorium wird auf Vorschlag des Bundesrates vom Bankrat gewählt. Der Bankrat hat laut Nationalbankgesetz die Aufgabe, «das Risikomanagement» der SNB zu überwachen. Es kursieren Gerüchte, wonach der Bankrat über das Sechzig-Milliarden-Rettungspaket nicht angehört worden sei. Die Bankratsmitglieder sind an die Schweigepflicht gebunden und dürfen dazu nichts sagen. Die SNB selbst sagt, man gebe grundsätzlich bei keinem Geschäft Auskunft darüber, wer, wann oder ob überhaupt informiert worden sei. Die Nationalbank steckt also sechzig Milliarden Franken in faule UBS-Kredite, das sind 50 000 Franken pro erwerbstätige Person. Die gesamten Aktiva der SNB betragen 126 Milliarden. Es geht also um sehr, sehr viel.