Burkina Faso: Mit beiden Armen in Butter

Nr. 16 –

Aus den Nüssen des Karitébaums stellen Frauen in Burkina Faso eine Hautcreme her, für die sich die westliche Kosmetikindustrie interessiert. Das schenkt ein.


Mariam Idogo steht mit gebeugtem Rücken über der grossen Schüssel. Bis über die Ellenbogen klebt eine braune Masse an ihren Armen. Immer wieder taucht die 38-Jährige Hände und Arme in die zähe Paste, deren Farbe an Mousse au Chocolat erinnert. Knochenarbeit. Mariam Idogo beginnt schwer zu atmen. Schweissperlen bilden sich auf ihrer Stirn. Doch ihre Augen leuchten. Lächelnd blickt sie zu den Frauen an ihrer Seite, die ebenfalls über ihren Schüsseln stehen, singen und im Rhythmus walken und rühren. «Freunde arbeiten gut zusammen», lautet der Refrain des traditionellen Arbeitsliedes. Ihre Bewegungen werden immer schneller. Die Paste blubbert und schmatzt. Als sie fast weiss geworden ist, richtet Mariam Idogo sich auf. «Dieser letzte Arbeitsschritt ist immer besonders anstrengend.»

Die Produktion von Karitébutter in den Dörfern von Burkina Faso dauert Stunden und Tage. Schon immer war das Sache der Frauen. Im Juni und Juli gehen sie mit Kalebassen und Plastikschüsseln zwischen den wild wachsenden Karitébäumen umher und sammeln die grünen, weichen Früchte vom Boden. Zunächst befreien sie die Früchte von ihrem weissen Fleisch - ein Freudenfest für die Kinder. Reif schmeckt das Fleisch mehlig und süss wie das der Dattel. Dann erhitzen die Frauen die ölhaltigen Kerne, um sie anschliessend zu stampfen und zu mahlen. Mit Wasser rühren sie das Mehl zu einer braunen Paste, die aufgekocht wird. Nach dem Erkalten kneten die Frauen die Paste so lange, bis sie flockig und weiss ist. Farbpigmente und Bitterstoffe werden so von der Masse getrennt. Über dem Holzfeuer kochen die Frauen dann daraus gelbes Öl. Nach dem Filtern erkaltet das Öl zu Butter.

Diese leicht körnige, weisse Butter, auch Sheabutter genannt, nutzen sie als Creme. Auch Seife lässt sich aus der Karitébutter herstellen. In den letzten Jahren wird Karité deshalb zunehmend auch von der internationalen Kosmetikindustrie nachgefragt. Eine Chance für die Frauen in Burkina Faso: So können sie für ihre Produkte bis zum Doppelten dessen verdienen, was sie auf den lokalen Märkten dafür erhalten.

Alles Geld für Lebensmittel

Zusatzeinkommen können die Frauen und ihre Familien dringend brauchen. Burkina Faso ist eines der ärmsten Länder der Welt. Fast die Hälfte der Bevölkerung muss mit weniger als einem halben Dollar pro Tag auskommen.

Der Norden Burkina Fasos liegt im Bereich der Sahelzone. Die zunehmenden Dürreperioden treibt die Bevölkerung dieser Region in die Städte und in den Süden von Burkina Faso. Dort werden die Ressourcen knapp. Im relativ fruchtbaren Süden fällt zwar mit tausend Millimetern pro Jahr fast genauso viel Regen wie in Mitteleuropa. Doch der kommt innerhalb von nur zwei bis drei Monaten an wenigen Tagen übers Land, prasselt aus bedrohlichen Wolkentürmen nieder und wäscht nicht selten die dünne Humusschicht von den kargen Böden. Wenn der Regen denn überhaupt kommt.

«Bleibt der Regen aus, klopft schnell der Hunger an die Tür.» Mariam Idogo zupft an ihrer Halskette, an der ein Herz aus Holz hängt. Gemeinsam mit ihrem Mann baut sie in ihrem Heimatdorf Guiaro Mais, Hirse und etwas Gemüse an. Das meiste davon verbrauchen die beiden und ihre vier Kinder selbst. Doch in den Sommermonaten leert sich der Vorratsspeicher. Die neue Ernte ist noch nicht eingebracht, und Mariam Idogo muss Lebensmittel auf dem Markt in Po, der Provinzhauptstadt, kaufen. Das Geld dafür verdient sie durch die Herstellung von etwa einhundert Kilogramm Karitébutter. Auf dem Markt bekommt sie dafür umgerechnet knapp achtzig Euro. Das ist der Gegenwert von gerade einmal zwei 20-Kilogramm-Säcken Reis. «Im letzten Jahr haben sich die Preise für Lebensmittel auf dem Markt verdoppelt.» Mariam Idogo hat fast alles für Lebensmittel ausgeben müssen. Wenn sie und die anderen Frauen für ihre Karitébutter auf dem internationalen Markt bessere Preise erzielen, bleibt der Hunger dauerhaft vor der Tür. Und vielleicht reicht der Verdienst dann auch für die Schulbildung der Kinder.

Doch Abnehmer in Kanada, den USA und in Europa kaufen am liebsten die ganzen Nüsse. So können sie die Preise unter Kontrolle halten und die Produktion der Butter nach ihren eigenen Regeln und Qualitätsstandards organisieren. In Burkina Faso versuchen deshalb Hilfsorganisationen, die Frauen bei der Herstellung und Vermarktung ihrer Karitébutter zu unterstützen. So soll ein möglichst grosser Teil der Wertschöpfung aus der Kariténuss bei den Frauen bleiben.

Im Schatten des Mangobaums

Eines dieser Projekte hat seinen Sitz am Rand von Po, der Provinzhauptstadt von Nahouri im Süden des Landes, kurz vor der Grenze zu Ghana. In Workshops lernen dort die Frauen, die Qualität ihrer Butter zu steigern. Über das Projekt erhalten sie Bankkredite. Bei einer grösseren Nachfrage können sie so genügend Nüsse zukaufen. Und nicht zuletzt stärken Alphabetisierungskurse ihre Kompetenz als Geschäftsfrauen. Unterstützt wird das Projekt vom Hilfswerk der evangelischen Kirchen in der Schweiz (Heks).

Zum Projekthaus gelangt man auf einer roten Sandstrasse, die an Lehmhütten vorbeiführt. Ziegen und Schweine laufen herum. Das Gebäude ist einfach gebaut. Der Boden der Veranda besteht aus einem Mosaik aus Kachelscherben. Unter einem Holztisch schläft ein kleines Mädchen. Hinter dem Haus, im Schatten der breiten Krone eines Mangobaums, findet ein Kurs zur Herstellung der Karitébutter statt. Die Frauen hocken auf Schemeln oder auf dem Boden. Viele halten Babys auf dem Schoss.

Rund dreissig Frauen nehmen am Kurs teil. Sie kommen aus den Dörfern der Umgebung. Wenn sie nach einer Woche zurückkehren, bringen sie das Erlernte den anderen Frauen in ihren Dörfern bei. Die Frauen sorgen für einen Grossteil des Familieneinkommens. Deshalb profitiert die ganze Familie davon, wenn sie für ihre Arbeit mit der Kariténuss mehr Geld bekommen.

Rund 1450 Frauen sind über das Projekt organisiert. Sie sammeln die Früchte und extrahieren die Butter gemeinsam in ihren Dörfern. Alle zusammen könnten pro Jahr 200 Tonnen Butter produzieren. Das Heks hat etwa den Kontakt zu einem britischen Händler in Ghana vermittelt, der um die 50 Tonnen fertige Butter bestellt hat, die er an Kosmetikfirmen in Europa und Nordamerika verkaufen will. «Es gibt eine wachsende Zahl von Kosmetikfirmen, wie Lush oder Bodyshop, die ihre Sheabutter direkt bei afrikanischen Produzenten beziehen», sagt Jamil Mokhtar, der sich beim Hilfswerk um die Vermarktung der Butter kümmert. Hinzu kämen kleinere Interessenten aus dem wachsenden Bio- und Fair-Trade-Bereich. «Wir hoffen auf einen neuen Absatzmarkt», sagt Mokhtar.

Einnahmen für Schulbücher

Nabila Avi hat in ihrem Dorf Sesuala eine Kooperative gegründet, die Unterstützung durch das Projekt in Po erhält. Wie in den meisten Dörfern sind die Produktionsbedingungen in Sesuala noch sehr strapaziös. «Wir haben hier keine Mühle und keine Wasserstelle.» Nabila Avi steigt die Leiter zum Dach ihres Hauses hinauf. Das Haus ist ein kleiner Quader aus Lehm. Nabila Avi bewegt sich vorsichtig. Die wackelige Leiter besteht aus einem Baumstamm mit eingekerbten Stufen. Von oben fällt der Blick über die Felder rund um das Dorf. Ein warmer Wind wirbelt Staub und trockene Blätter über den rissigen Boden. Gelbe Grashalme biegen sich. Nur den Blättern der knorrigen Karitébäume verdankt die Landschaft einige grüne Tupfer. «Hier oben trockne ich meine Kariténüsse.»

Zurzeit verdient die 47-Jährige rund 120 Franken mit ihrer Karitébutter. Zum Glück reichen in ihrer Familie die Vorräte an selbst geernteten Lebensmitteln auch über den Sommer. So kann sie das Geld vor allem für Schulhefte und Bücher ausgeben. «Manchmal kaufe ich auch einen neuen Kochtopf oder Gewürze davon», sagt sie und lächelt. Und wer entscheidet über die Ausgaben? «Darüber bestimme ich alleine, ich gebe das Geld sofort auf dem Markt in Po aus, wo ich es auch eingenommen habe.» Nabila Avi schüttelt den Kopf und lacht. Hinter ihr werfen die Karitébäume lange Schatten auf die rote Erde. Die untergehende Sonne weckt noch einmal die Farben auf, bevor sie in der Dunkelheit verschwinden. Morgen früh vor der Feldarbeit geht Nabila Avi wieder Kariténüsse sammeln.



Landwirtschaft in Burkina Faso

Achtzig Prozent der Bevölkerung des westafrikanischen Staates lebt auf dem Land. Die meisten betreiben Subsistenzlandwirtschaft. Fast alles, was sie produzieren, verbrauchen sie selbst. Sie bauen Hirse, Mais und etwas Gemüse an und halten einige Hühner oder Ziegen. In trockenen Jahren reicht die eigene Ernte häufig nicht aus. Eine Familie in Burkina Faso ist nicht in der Lage, mehr als drei Hektaren zu bebauen, und so viel auch nur, wenn die Kinder mithelfen. Hauptwerkzeug auf dem Feld ist die traditionelle Hacke Daba. Traktoren gibt es kaum. Immer wieder werden von internationalen Organisationen sogenannte Cash Crops als Heilsbringer angepriesen - landwirtschaftliche Exportprodukte, die den BäuerInnen mehr Einnahmen bescheren sollen. Damit könnten sie Nahrungsmittel zukaufen, das Schulgeld für die Kinder bezahlen oder ihre Landwirtschaft modernisieren. So weit die Theorie. Burkina Faso hat in den vergangenen Jahren intensiv den Anbau von Baumwolle für den Export gefördert. Das Land erzielt inzwischen zwei Drittel seiner Exporterlöse damit. Doch die Konkurrenz der subventionierten Baumwolle aus den USA, aber auch von riesigen Feldern in Zentralasien und China ist übermächtig. Zudem zieht die Baumwollproduktion Arbeitskräfte aus der Lebensmittelproduktion ab.

Biologische Baumwolle, die unter anderem an die Schweizer Fair-Trade-Organisation Max Havelaar geliefert wird, soll den BäuerInnen in Burkina Faso neue Märkte eröffnen. Auch die Produktion von Cashewnüssen und Trockenmangos für den afrikanischen Ableger des Schweizer Handelsunternehmens Gebana bietet den BäuerInnen in Burkina Faso neue Perspektiven.

Doch die Schwierigkeiten sind vielfältig. Nur ein Viertel der Bevölkerung kann lesen und schreiben. Die Infrastruktur auf dem Land ist völlig unzureichend. Burkina Faso hat als Binnenland keinen Meereshafen zur Verfügung. Exportgüter müssen über die einzige vorhandene Bahnlinie oder per Lastwagen über schlechte und unsichere Strassen nach Ghana oder an die Elfenbeinküste transportiert werden.

Wirtschaft zum Glück

Dieser Artikel ist der fünfte Beitrag der WOZ-Serie «Wirtschaft zum Glück», in der wir nachhaltige Produktions- und Eigentumsformen, neue Ideen für eine neue Ökonomie und ökologisch sinnvolle Projekte vorstellen. Finanziert wird diese Serie aus einem Legat des früheren Nachhaltigen Wirtschaftsverbandes WIV.