100 Wörter: Frühlingsgedanken

Nr. 10 –

Niemand wusste besser als die Niederbirrsteiner, dass der Frühling mitunter Ansichtssache war. Irgendwelche Sonnensymbole in den Kalender zeichnen, das konnte jeder, aber einmal so richtig einheizen in der Atmosphäre, auch in der emotionalen und romantischen, das brachte niemand zustande. In Niederbirrstein hatte man darum den Verein zur Förderung des Frühlingsgedankens gegründet und schon mehr als 2000 Eingaben, Leserbriefe und Motionen verfasst, bisher allerdings ohne den geringsten Erfolg. Nur mit dieser Enttäuschung über den demokratischen Weg ist es zu erklären, dass sie eines schönen Tages im März ihr gesamtes Vereinsvermögen dem russischen Wettermacher Troblovnik anvertrauten, der damit in den Süden verduftete.

Stephan Pörtner ist Krimiautor («Köbi der Held») und lebt in Zürich. Für die WOZ schreibt er Geschichten, die aus exakt 100 Wörtern bestehen.