Personenrätsel: Das rote Stirnband einer Rachegöttin

Nr. 7 –

«Wenn Nelson Mandela, der jahrelang im Gefängnis sass, den Nobelpreis gewinnen konnte, kann ich das auch», soll sie einmal gesagt haben. Ganze elf Jahre verbrachte die Asiatin hinter Gittern, ohne dass ihr je der Prozess gemacht wurde. Zu gross war die Angst der Strafverfolger, dass statt dieser Göre, die raubte und offenbar auch mordete, plötzlich Polizei und Justiz selbst auf der Anklagebank landeten. Denn für die Unterdrückten, allen voran Frauen, war die derb fluchende Zwanzigjährige eine Heldin, die mit der Waffe in der Hand gegen Ungerechtigkeit und Armut kämpfte.

Zur Welt kam die «Königin der Banditen» 1963 im indischen Bundesstaat Uttar Pradesh. Ihre Familie wohnte auf dem Land und gehörte der Kaste der Fährleute an. Für ein Mädchen dieser niederen Hindukaste waren Schläge und Erniedrigungen bitterer Alltag. Mit elf wurde sie verheiratet, doch den gewalttätigen Gatten hielt sie nicht lange aus. Sie floh zurück zur Familie und galt für die Männer des Dorfs von nun an als Freiwild. Gefallen liess sie sich jedoch nichts, sie ohrfeigte den zudringlichen Sohn des Dorfvorstehers, widersetzte sich einer erneuten Heirat, drohte, Felder zu zerstören, wenn man ihr den Erntelohn verweigerte, und stachelte auch andere Frauen an, sich zu wehren. Als man sie zu Unrecht eines Diebstahls bezichtigte und ins Gefängnis warf, wurde sie von Polizisten und Wärtern vergewaltigt. Tiefer konnte sie nicht fallen, ihre Mutter riet zum Selbstmord.

Dann aber kamen Banditen ins Dorf und entführten die zornige junge Frau. Sie schnitt sich die Haare, legte das rote Stirnband der Rachegöttin Durga um und lehrte bald als meistgesuchte Bandenführerin Zentralindiens nicht nur ihre eigenen Peiniger das Fürchten. 1983 kapitulierte sie vor der Übermacht des Verfolgungsapparats Indira Gandhis und liess sich verhaften. Noch aus dem Gefängnis heraus bewarb sich die Lese- und Schreibunkundige um einen Sitz im indischen Parlament, den sie 1996 auch errang und 1999 verteidigte.

Wer war die 2001 ermordete Sozialrebellin, die ihre Wahlen mit dem Slogan gewann: «Schlägt euch ein Mann, schlagt zurück! Schlagt ihn zweimal!»?

Wir fragten nach der indischen Banditin, Menschenrechtlerin und Politikerin Phoolan Devi (1963–2001). Nach ihrer Haft nahm sie an internationalen Frauenkonferenzen teil und wurde sogar für den Friedensnobelpreis vorgeschlagen. Phoolan Devi sass für die sozialistische Samajwadi-Partei im Parlament und konvertierte später – wie so viele andere Opfer des diskriminierenden hinduistischen Kastenwesens – zum Buddhismus. 2001 wurde sie auf offener Strasse erschossen. Wer hinter dieser Tat steckte, wurde nie vollständig aufgeklärt.