Medientagebuch: Berner Lehrblätz

Nr. 23 –

Hanspeter Spörri über das Scheitern des Onlinemagazins «Journal B».

«Journal B», die lokaljournalistische Berner Internetplattform, streicht neun Monate nach Betriebsaufnahme aus Kostengründen seine 3,5  Stellen. Es will künftig mit Freiwilligen weitermachen. Was kann man aus dem Scheitern des Projekts lernen? Zunächst einmal dies: Wenn ein neu gegründetes Medium den Anspruch erhebt, Journalismus mit anderem Ansatz zu bieten, werden Erwartungen geweckt, die sich nicht unbedingt erfüllen lassen. «Journal B» ist professionell gemacht. Anders ist es nicht. Oder nur ein bisschen.

Sodann ist auch sichtbar geworden, wie schwierig es ist, UnterstützerInnen zu finden, die bereit sind, für etwas zu bezahlen, was kostenfrei im Netz abgerufen werden kann. Nicht einmal der sich abzeichnende finanzielle Ruin führte zu einer Solidaritätswelle. «Journal B» wollte sich nach dem von der Stiftung für Medienhilfe unterstützten Start durch freiwillige Jahresbeiträge von 250 Franken refinanzieren. Es hätte sich in Bern also eine Gemeinde von Begeisterten und medienpolitisch Interessierten finden müssen – schwierig in der gestressten, stets abgelenkten Multioptionsgesellschaft.

«Journal B» hat einen lesefreundlichen und ansprechenden Auftritt. Ihm fehlt aber das, was es unverzichtbar gemacht hätte. Ich verteidige gern den anständigen Journalismus. Das Polemisieren gegen Personen und Gruppen, die Skandalisierung von anderen Meinungen und vermuteten Fehlleistungen, die Empörungsbewirtschaftung, die von den meisten Medien praktiziert wird, all dies ist mir ein Gräuel. Lieber habe ich es, wenn man mir Ereignisse und Positionen verständlich macht. «Journal B» hat dies in der Regel getan. Aber guter Journalismus ist mehr: eine Gratwanderung. Ein Sich-Exponieren. Bei «Journal B» setzten sich allenfalls die Kolumnisten jenem Absturzrisiko aus, das eingehen muss, wer Beachtung, Zustimmung, Widerspruch finden, wer eine Stimme in der grossen Debatte sein will.

Guten Journalismus kann man nicht herbeibefehlen. Man kann lediglich Bedingungen schaffen, unter denen er allenfalls gedeihen kann. Entscheidend sind eine möglichst vielfältig zusammengesetzte Redaktion und eigenwillige AutorInnen. Kreatives Potenzial entsteht aus den Diskussionen und Konflikten im Team; zwischen unterschiedlichen und anspruchsvollen Einzelpersönlichkeiten. «Bund» und «Berner Zeitung» sind oft lesenswert. Begeisterung lösen sie selten aus, Ärger manchmal. Im Bereich des Lokaljournalismus lassen sie viele Wünsche offen. Sie bleiben jedoch unverzichtbar für jene, die politisch und kulturell über das Berner Geschehen orientiert sein wollen.

Die ökonomische Basis der Tageszeitungen wird allerdings weiter erodieren. Gerade eben hat man lesen können, die Auflage der Zeitungen in Westeuropa sei von 2008 bis 2012 um fast ein Viertel zurückgegangen, während die Onlineleserschaft deutlich wachse. Wie lokaler Onlinejournalismus zu finanzieren ist, weiss momentan aber noch niemand.

Was also tun? Bald wird man bei «Journal B» auch die Frage beantworten können, ob sich auf regionaler Ebene genügend ehrenamtliche AutorInnen finden lassen, die es sich leisten können, ohne Bezahlung lesenswerte Texte zu liefern. Journalismus ist Knochenarbeit. Man müsste davon leben können. Die Ratlosigkeit wird vorerst zunehmen. Bis uns ein Licht aufgeht, müssen wir pflegen und hegen, was bereits existiert. Und hin und wieder in einen Lehrblätz investieren.

Hanspeter Spörri, Journalist in 
Teufen AR, war von 2001 bis 2006 Chefredaktor des «Bunds».