Wegweisendes Urteil: Schmidheinys Verantwortlichkeit

Nr. 23 –

Stephan Schmidheiny ist am Montag auch in der zweiten Instanz wegen seiner Asbestzementfabriken in Italien verurteilt worden. Er habe vorsätzlich eine tödliche Umweltkatastrophe verursacht, entschied das Gericht. Achtzehn Jahre müsste der Multimilliardär und Spross einer Industriellendynastie ins Gefängnis. Doch er wird das Urteil weiterziehen, wenn nötig bis an den Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte in Strassburg. Dafür hat der Mann seine Anwälte. Derweil warten die Geschädigten, davon Hunderte Nachkommen von verstorbenen ArbeiterInnen aus Schmidheinys früheren Fabriken, weiter auf finanzielle Genugtuung.

In den siebziger und den achtziger Jahren gehörte Stephan Schmidheiny die italienische Eternit SpA, die in Italien mehrere Asbestzementfabriken betrieb. Er wusste von den Gefahren durch Asbest. Und er wusste von den schwachen Sicherheitsvorkehrungen in den Fabriken, genauso wie er von den steigenden Erkrankungszahlen seiner Beschäftigten wusste, von den Protesten der Betriebsräte und von den Kämpfen der Gewerkschaften gegen die tödliche Asbestgefahr.

Schmidheiny hätte sofort handeln können. Als Besitzer der Fabriken hätte er einen massiv höheren Gesundheitsschutz anordnen oder auch die Fabriken aus Sicherheitsgründen schliessen und die ArbeiterInnen für den Verdienstausfall entschädigen können. Als Erbe eines Milliardenvermögens hätte er die Mittel dazu in der Hand gehabt. Doch Schmidheiny wollte sein Imperium nicht schwächen: Er setzte auf einen langsamen Übergang – auf Kosten der Gesundheit von Beschäftigten und AnrainerInnen der Fabriken.

Schmidheinys Krisenkommunikator zieht in der hiesigen Presse über das «absurde Urteil» her und qualifiziert sowohl die Staatsanwaltschaft als auch den vorsitzenden Richter als voreingenommen ab. Dabei ist das Urteil des italienischen Gerichts kein Schnellschuss. Schon 2001 hatte der Turiner Staatsanwalt Raffaele Guraniello mit seinen Ermittlungen begonnen, der erste Prozess startete 2009. Schmidheinys Anwälte hatten jedoch – mithilfe der Schweizer Behörden – alle Register gezogen, um die Ermittlungen und den Prozess zu verzögern.

Das jetzige Urteil ist wegweisend. Es zeigt, dass sich BesitzerInnen von Industriekonzernen nicht einfach hinter subalternen Verwaltern verstecken können.