Kost und Logis: Hecken, Hasen, Synergien

Nr. 39 –

Eine Inspektion des Waffenplatzes Neuchlen-Anschwilen.

Kniesocken tragen die Männer an diesem Sonntag. Dicke, weisse Kniesocken mit eingestrickten Mustern, darüber einen Kilt. So fahren sie hinaus in die St. Galler Agglo, nach Abtwil, wo die Appowila Highland Games stattfinden. Wir aber steigen den Hügel hinauf, vorbei an Offroadern, die mit Werbung für Monster-Energydrinks und mit den Zahlen 666 und 1291 geschmückt sind (patriotische Satanisten?). Steigen hinauf, bis wir die Dudelsäcke nicht mehr hören und bei einer blumengeschmückten Käserei ankommen. Links unten in der Senke kreischt ein Reiher im Schilf, vorn zieht sich eine Hecke über den Hügel: Das muss er sein, der Waffenplatz. Wo sonst gäbe es so viel Natur?

Schon damals, vor mehr als zwanzig Jahren, als ArmeekritikerInnen das Gelände des geplanten Waffenplatzes besetzten (mehrmals angegriffen von Nazis und Security-Rambos) und die Initiative «40 Waffenplätze sind genug – Umweltschutz auch beim Militär» lancierten (im Juni 1993 mit 55 Prozent der Stimmen abgelehnt), schon damals gab sich die Armee Mühe, grün aufzutreten. «Armee schützt Lebensraum» war ein früher Slogan. Inzwischen pflanzt sie die Hecken sogar selbst.

Heute ist Sonntag, man muss keine Angst haben, dass plötzlich Kugeln geflogen kommen. An Werktagen warnen Windsäcke vor Schiessbetrieb. Rechts noch mehr Hecken, hohes Gras, so viel Natur. Ich erinnere mich an Diskussionen darüber, wer der Umwelt mehr schade, die Landwirtschaft oder das Militär. Die Landwirtschaft, sagten manche, und wie zur Bestätigung hoppelt zwischen den Hecken ein Hase heran, sieht uns und macht eilig kehrt.

Links taucht der Weiler Anschwilen auf, freundlich, mit farbigen Fensterläden. Doch es sind lauter Attrappen aus Beton, die enteigneten Bauernhäuser wurden abgerissen. Hier wird der Nahkampf trainiert. Zwischen den Häusern stehen Gebilde aus Stahlträgern: Kunst? Oder fiese Einrichtungen, um Querschläger zu generieren? Fette Schafe fressen zwischen Hochstammbäumen und stehen auf den künstlichen Hügeln, hinter denen sonst Scharfschützen liegen. Die Strasse hat zwei grosszügige Velostreifen.

Weiter unten, ganz nah am beliebten Walter-Zoo, steht eine Minergiehaussiedlung am Waldrand. Lang gezogene Holzgebäude, freundlich, Aussicht auf den Alpstein. Man würde es nicht glauben, aber das ist die Kaserne. Darin integriert das BesucherInnenrestaurant des Zoos. Optimal genutzte Synergien. Es riecht nach Frittieröl.

Sollte Ueli Maurer zur Einsicht kommen, dass die Schweiz ein paar Waffenplätze zu viel hat – zum Beispiel, weil die Wehrpflicht aufgehoben wurde –, lässt sich dieser problemlos umnutzen. Zum Naturpark. Oder zum Freizeitpark. Oder zu beidem. Man muss die Bleiwerte ja nicht messen.

Bettina Dyttrich ist WOZ-Redaktorin.