Fussball und andere Randsportarten: Ein Maulwurf in München

Nr. 48 –

Über den feingeistigen Kontrollfreak Pep Guardiola.

Pep Guardiola, Cheftrainer des FC Bayern München, ist ein viel gelobter Mann. Als Spieler und Trainer war er bei seinem Stammklub, dem FC Barcelona, ausserordentlich erfolgreich. Manche Fussballfachleute bezeichnen Guardiola gar als Erfinder des «Tiki-Taka», jenes Fussballstils, bei dem es darum geht, den Ball so lange durch die eigenen Reihen zirkeln zu lassen, bis Publikum und Gegner dermassen eingelullt sind, dass sie stehend einschlafen.

Guardiola, kam 1971 in Katalonien zur Welt. Von 1984 bis 2001 spielte er für den FC Barcelona. Von dort wechselte er nach Italien, bevor er seine Spielerlaufbahn in Katar und Mexiko ausklingen liess. Anschliessend startete er bei seinem Stammklub eine Trainerkarriere, die er mit unzähligen nationalen und internationalen Titeln krönte. Seit letztem Sommer ist Guardiola nun Cheftrainer des FC Bayern.

Der Mann mit der Christian-Gross-Frisur wird in seiner Heimat nicht bloss als Trainer geschätzt. Seine philosophisch angehauchten Interviews, sein Interesse an zeitgenössischer Literatur und seine offen bekundete Sympathie für den katalanischen Nationalismus geben ihm die Aura des intellektuellen Feingeists. Als er an seiner ersten Pressekonferenz in München die JournalistInnen mit ein paar deutschen Sätzen begrüsste, ging ein Raunen durch die Sportwelt. Seine Deutschkenntnisse seien der ultimative Beweis für seine überdurchschnittliche Intelligenz und seinen Anspruch, auch in München von Anfang an alles richtig zu machen.

Tatsächlich schien Pep Guardiola seit dem Sommer alles richtig zu machen: Er legte sich nicht mit der empfindlichen Chefetage des Vereins an. Er hielt die vielen Stars und Diven im Team bei Laune. Seine Mannschaft gewann fast alle Spiele. Er vergass nie, den JournalistInnen auf gut Bayrisch Grüss Gott zu sagen. Und er liess sich ohne Murren am Oktoberfest in Lederhosen fotografieren.

Guardiola war der allseits gerühmte Musterschüler, dem alles leicht von der Hand geht.

Doch seit dem letzten Wochenende herrscht Aufruhr in München. Nicht der klare 3:0-Sieg im Spitzenspiel gegen den Rivalen Borussia Dortmund sorgt für Schlagzeilen, sondern eine dubiose «Maulwurfaffäre». Pep Guardiola behauptet, einer seiner Spieler plaudere seit Wochen Mannschaftsgeheimnisse an die Öffentlichkeit aus. Die «Bild»-Zeitung habe vor den Spielen taktische Details gekannt, die sie nur durch Indiskretionen aus der Garderobe habe in Erfahrung bringen können. Er werde das nicht dulden, sagte der Cheftrainer in einem Tonfall von bei ihm bisher nicht gekannter Schärfe. Und weil der Maulwurf offenbar noch immer aktiv ist, kennen wir sogar den Wortlaut von Guardiolas Drohung: «Egal wer es ist, es werden Köpfe rollen. Denjenigen schmeisse ich raus! Er wird nie wieder unter mir spielen!» Auch Karl-Heinz Rummenigge, der Vorstandsvorsitzende des FC Bayern München, drohte dem Maulwurf, dessen Namen bis heute niemand kennt, mit markigen Worten.

Ob es diesen Maulwurf überhaupt gibt, steht bislang nicht fest. Sicher ist nur, dass Pep Guardiola ein Kontrollfreak ist. Er will, dass jeder seiner Spieler eine perfekte Ballkontrolle hat. Er will, dass seine Equipe jedes Spiel vom Anpfiff bis zum Schlusspfiff vollkommen kontrolliert. Und er will bekanntlich auch das Privatleben seiner Spieler kontrollieren. Als sich der Barcelona-Star Gerard Piqué Anfang 2011 in die Sängerin Shakira verliebte, hatte Guardiola den Fussballer von einem Privatdetektiv beschatten lassen. Der Trainer wollte wissen, ob sein Schützling rechtzeitig ins Bett ging.

Für Guardiola geht Kontrolle über alles: Die Feststellung, dass er eben doch nicht alles im Griff hat, bringt Pep in Rage. Und zwar so sehr, dass er nicht weniger als den Kopf derer fordert, die er nicht kontrollieren kann.

Pedro Lenz (48) ist Schriftsteller und lebt 
in Olten. Ihn beruhigt, dass der FC Bayern 
die Telefongespräche seiner Spieler offenbar noch nicht abhört.