Kost und Logis: Trockenklos für alle

Nr. 13 –

Karin Hoffsten über ein weitherum unterschätztes Thema

Alle Menschen sind gleich, zumindest was die Verdauung angeht. Weit weniger gleich ist ihr Zugriff auf funktionstüchtige Anlagen, um ihre Ausscheidungen menschenwürdig zu entsorgen. Ich bin privilegiert: Über unser Land zieht sich ein flächendeckendes Netz sauberer Toiletten, durch deren Rohre täglich Millionen Liter Trinkwasser in die Kanalisation gejagt werden.

Ausnahmen wie überforderte WC-Anlagen bei Massenveranstaltungen oder auch das eine und andere Klo im Privathaushalt bestätigen bloss die Regel. Dem stehen weltweit gegen zweieinhalb Milliarden Menschen gegenüber, die weder Zugang zu einem funktionierenden Klo noch genug sauberes Wasser haben, um es seinem eigentlichen Zweck zuzuführen: dem Trinken.

Nun las ich kürzlich, dass eine junge Zürcherin ein tragbares Klo erfunden hat, dessen Betrieb weder Wasser noch Strom benötigt und die umweltverträgliche, getrennte Entsorgung von «gross» und «klein» ermöglicht; ihre Erfindung vermietet die Jungunternehmerin jetzt an Familien, die in den Slums von Lima leben.

Mich freute das, denn ich habe schon vor einigen Jahren beschlossen, nur noch Länder zu bereisen, die über – aus meiner Sicht – benutzbare Toiletten verfügen. Eine Empfindlichkeit, die ich mir natürlich nur leisten kann, weil ich in Mitteleuropa einen festen Wohnsitz habe und weder von Armut noch Krieg bedroht bin. Wobei «aus meiner Sicht benutzbar» folgende Grundausstattung meint: ohne Ausseneinsicht, sauber, mit Papier und trockenem Fussboden. Und im Rucksack kann man ja nur das Papier mitnehmen.

Immerhin bieten Begegnungen mit Bedürfnisanstalten, die diesem Mindeststandard nicht entsprechen, im Nachgang Stoff für Anekdoten, wie zum Beispiel die Pinkelpausen eines Reisebusses im Fernen Osten. Beim ersten Halt stand das Wasser zehn Zentimeter hoch auf dem Toilettenboden. Beim nächsten Stopp wurden alle müssenden Damen für je einen Dollar gemeinsam in einen Raum mit vier nebeneinander angeordneten Bidets geführt, den Schamhaften oder fürs grosse Geschäft stand für fünf weitere Dollar ein abgeschlossenes Kabinchen zur Verfügung. Während eine Amerikanerin und ich uns, tapfer geradeaus sehend, auf den Bidets niederliessen, verliess eine andere laut schimpfend das Haus und wollte ihren Dollar zurück. Ich gestehe: Richtig Lust habe ich auf so was auch nicht mehr.

Trocken-, Bio- und Kompostklos gibt es schon in allen möglichen Varianten, selbst Friedensreich Hundertwasser entwickelte eine funktionierende Humustoilette. Es gäbe also Lösungen, doch sie kosten Geld. «Um allen Menschen Zugang zu Sanitäranlagen zu verschaffen, müssten über zwanzig Jahre hinweg jedes Jahr 17 Milliarden Dollar investiert werden», schreibt das Hilfswerk Helvetas auf seiner Website. 17 Milliarden – das verschlinge die Rüstung weltweit in rund vier Tagen.

Aber dass die Welt spinnt, weiss ich ja schon länger.

Karin Hoffsten würde einen Strukturwandel der Schweizer Rüstungsindustrie hin zur friedlichen Trockenkloproduktion sehr begrüssen.