Von oben herab: Feldherr der Reserven

Nr. 13 –

Stefan Gärtner über den abtretenden Armeechef

Dafür, dass die Schweizer Marine eine eher untergeordnete Rolle spielt, spielt sie bei der kommenden Demission des Schweizer Armeechefs Blattmann eine ziemlich grosse: «Es ist vernünftig», wusste der Inbegriff Schweizer Pressevernunft, die «Neue Zürcher Zeitung», «dass Korpskommandant André Blattmann die Verantwortung für die Armee abgibt. Richtig ist aber auch, dass er noch bis Ende 2016 an Bord bleibt», denn einmal Seemann, immer Seemann. «Vom Naturell her kein aufbrausender Feldherr, führte er die schlingernde Armee in ruhigere Gewässer zurück.» Ich wäre ja dafür, Journalist (m/w) zu einem ordentlichen Ausbildungsberuf zu machen, aber vermutlich kostet das zu viel.

Jedenfalls verlässt Käpt’n Blattmann die Brücke zu einem günstigen Zeitpunkt, denn in puncto «Bodluv», der von führenden Experten des militärisch-industriellen Komplexes für unabdingbar gehaltenen Erneuerung der Boden-Luft-Abwehr, ist es zu dem gekommen, was man in satirischer Zuspitzung «Beschaffungskriminalität» nennen könnte, und mit derlei will man sich so nah am Pensionsalter ja nümme beschäftigen: «Die ‹Rundschau› veröffentlichte interne Dokumente, die beweisen, wie umstritten die Beschaffung von zwei verschiedenen Lenkwaffen unter Sicherheitsexperten im VBS ist. Während IRIS-T des deutschen Herstellers Diehl nicht in der Lage sei, bei schlechtem Wetter zu treffen, kann die Lenkwaffe CAMM-ER des europäischen Rüstungskonzerns MBDA nicht hoch genug und vor allem auch nicht weit genug schiessen. Doch anstatt das Projekt zu stoppen, entschied sich das VBS dafür, beide Lenkwaffen zu beschaffen» («Aargauer Zeitung»).

Das war, wenn Sie mich fragen, eine weise Entscheidung, die mit den üblichen Milliarden nicht zu teuer bezahlt gewesen wäre. Denn weit schiessen muss in der kleinen Schweiz kein Mensch, und da per Verfassung immer die Sonne scheint, können schlechtwetterbedingte Einschränkungen voll und ganz vernachlässigt werden. Und wenn der Russe kommt, dann sowieso im Tiefflug – all dies wusste Blattmann, dessen Hauptaufgabe es war, «der schleichenden Entfremdung von Armee und Wirtschaft vorzubeugen» und also möglichst jeden Mist zu bestellen, solange er nur teuer ist und nicht funktioniert. Dass er jetzt, wegen dieses «Raketendebakels» (SRF), gegangen worden ist, ist zum Glück nicht wahr, hat er doch der immer wichtiger werdenden Zivilverteidigung höchste Priorität eingeräumt: «Unsere Gesellschaft sei verletzlich geworden und auf neue Risiken wie Cyberattacken oder Stromausfälle nicht wirklich vorbereitet. Das sagt Armeechef André Blattmann in der Zeitung ‹Schweiz am Sonntag› – und er hat selber Konsequenzen gezogen: Zu Hause lagert er ‹30 oder 40 Sechserpackungen Mineralwasser ohne Kohlesäure›. Das entspricht rund 300 Liter Mineral. Darüber hinaus hat der Armeechef eine Wasserzisterne. Wasser sei im Notfall das Wichtigste, sagt er: ‹Für den täglichen Bedarf braucht jeder mindestens acht Liter Wasser. Zum Trinken, Kochen, sich waschen›» (tagesanzeiger.ch).

Und Putin? Hat die Invasion der Schweiz erst einmal abgesagt. Sein Plan, die verletzliche Schweiz per Cyberstromausfall zu versenken, wird hinfällig, wo das im Sinne Blattmanns wehrbereite Schweizervolk zweieinhalb Milliarden Liter Mineral gebunkert haben wird. Und zwar ohne Kohlensäure; damit niemandem was sauer aufstösst.

Stefan Gärtner (BRD) war Redaktor bei der «Titanic» und ist heute Schriftsteller und «linksradikaler Satiriker» («Die Zeit»). An dieser Stelle nimmt er das Geschehen in der Schweiz unter die Lupe.