Porträt: «Die Zersiedelung ist das Thema der Stunde»

Nr. 21 –

Aufgewachsen in einem linkskatholischen Haushalt, hat Basil Oberholzer früh gesehen, wie ökologische und soziale Themen zusammenhängen. Nun kämpft der Wirtschaftsstudent und junggrüne St. Galler Kantonsrat für die Zersiedelungsinitiative.

Basil Oberholzer in der Nähe des Wildparks Peter und Paul am Stadtrand von St. Gallen: «Im Kampf um diese Wiese habe ich gemerkt, wie Politik funktioniert.»

So entspannt sich Basil Oberholzer im Gespräch auch gibt – der 26-Jährige ist mehr als beschäftigt. Gerade ist er ins St. Galler Kantonsparlament gewählt worden, seit fünf Jahren politisiert er im St. Galler Stadtparlament, er sitzt im Vorstand des kantonalen Gewerkschaftsbunds, doktoriert an der Uni Fribourg zu «Geldpolitik und Ölmarkt» – und nun ist er auch massgebend an zwei Initiativen der Jungen Grünen beteiligt: Für den Schutz des Grünen Rings in St. Gallen und vor allem für die eidgenössische Zersiedelungsinitiative.

Auf der grünen Wiese

Oberholzer sitzt auf einer Bank am Kiesweg, der durch eine Wiese unweit des Wildparks Peter und Paul führt – mit Blick auf St. Gallen hinunter und die gegenüberliegenden Hügel. Aufgewachsen am Fuss des Hügels, im Heiligkreuzquartier, war Oberholzer schon als Kind oft hier. Später, im Kampf um den Erhalt der Wiese, habe er gemerkt, «wie Politik funktioniert». Anlass dazu gab die Richtplanrevision der Stadt im Jahr 2010: «Da war der Plan der Stadt, die Wiese mit Einfamilienhäusern zu überbauen – das war für mich nicht nur eine ökologische, sondern auch eine soziale Frage.»

«St. Gallen gehört allen!» lautete der Slogan, mit dem die Jungen Grünen Anfang 2012 eine Petition gegen die Überbauung starteten – und innert kurzem 5000 Unterschriften zusammenbrachten. Am 4. Dezember 2012 mobilisierten sie über 200 Leute an die Richtplandebatte im Stadtparlament, darunter viele ältere Leute – das Parlament verwarf die städtische Vorlage daraufhin mit 29 zu 27 Stimmen.

«Das gab uns Glaubwürdigkeit», sagt Oberholzer. Und machte Mut für die aktuelle Initiative «Für den Schutz des Grünen Rings», der unverbauten Grünflächen an den Hügeln entlang der Stadt. Nachdem der Stadtrat sie zunächst für ungültig erklärt hatte, hat das kantonale Verwaltungsgericht diese Behauptung unlängst widerlegt. Drei Monate haben die Jungen Grünen nun Zeit, um tausend Unterschriften zusammenzubringen. Bei der nationalen Zersiedelungsinitiative, für die Oberholzer im Komitee sitzt, endet die Frist für 100 000 Unterschriften am 21. Oktober.

«Die Zersiedelung ist das Thema der Stunde, mit dem wir Jungen Grünen Erfolg haben können», sagt Oberholzer. «Wenn man bedenkt, was die Zersiedelung neben dem Bodenverbrauch für den Energie- und Ressourcenverbrauch sowie die Verkehrsentwicklung bedeutet, so ist sie das grösste Umweltproblem der Schweiz.» Im Gegensatz etwa zu Ecopop aber suchten die Jungen Grünen, so Oberholzer, «Lösungen, wie man scheinbare Widersprüche wie Bevölkerungszunahme und Umweltschutz miteinander verbinden kann».

Geht es nach den Jungen Grünen, soll die Zersiedelung gestoppt werden, indem – so der Initiativtext – Bund, Kantone und Gemeinden «günstige Rahmenbedingungen für nachhaltige Formen des Wohnens und Arbeitens in kleinräumigen Strukturen mit (...) kurzen Verkehrswegen» schaffen. Angestrebt wird eine Verdichtung nach innen in Form von nachhaltigen Quartieren. Ausserhalb der Bauzonen sollen nur noch Anlagen für die bodenabhängige Landwirtschaft oder standortgebundene Bauten von öffentlichem Interesse bewilligt werden.

Zivildienst im Solidaritätshaus

Das Zusammendenken sozialer und ökologischer Themen hat bei Oberholzers Tradition. Basil Oberholzer ist in einem christlichen Haushalt aufgewachsen. Der Vater, Theologe und Gemeindeleiter der römisch-katholischen Kirchgemeinde Heiligkreuz, engagierte sich in unzähligen politischen Projekten; die Mutter, Pflegefachfrau, präsidiert den Claroladen St. Gallen. Im Elternhaus, inspiriert durch Fastenopfer-Kampagnen, begann auch Oberholzers Interesse für Entwicklungsökonomie. «Ich bekam die Religion auf eine kritische, befreiungstheologische Art vermittelt. Deshalb gab es keinen Grund, mich davon abzuwenden.»

Für die Zersiedelungsinitiative bringt Oberholzer, der sich als «Postkeynesianer» im weitesten Sinn bezeichnet, sein Fachwissen mit einer Studie zu Wohnraumreserven ein. Basierend auf der Bauzonenstatistik des Bundes kommt er zum Schluss, dass die Schweiz auch mit der Zersiedelungsinitiative langfristig in der Lage wäre, genügend Wohnraum für eine wachsende Bevölkerung zu schaffen – ohne ein einziges Hochhaus bauen zu müssen. Insbesondere grössere Städte, so Oberholzer, wiesen erhebliche Reserven aus.

Hat Oberholzer – der derzeit vom guten Lohn lebt, den er als Zivildienstleistender mit Masterabschluss im Solidaritätshaus Ostschweiz verdient hat – überhaupt noch Zeit für Hobbys? «Politik erlebe ich als etwas Ganzheitliches», entgegnet er, «man hat mit den unterschiedlichsten Menschen zu tun.» Mit der Gegenüberstellung von Hobby und Arbeit, diesem «auf Entfremdung basierenden Prinzip», kann er eh nicht viel anfangen. «Wenn ich mal drei Tage wandern gehe, kann ich in der Erinnerung eine ganze Weile davon zehren.»

Und: «Am Sonntag arbeite ich nicht.»