Durch den Monat mit Mämä Sykora (Teil 1): Wieso freuen Sie sich über den Abstieg des FC Zürich?

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Mämä Sykora weiss (fast) alles über Fussball. Mittlerweile lebt er als Chefredaktor des Schweizer Fussballmagazins «Zwölf» sowie als gefragter Experte von diesem Wissen. Sykora empfiehlt, nächste Saison zweitklassigen Fussball zu schauen.

«Es hat alles dabei»: Der professionelle Fussballfan Mämä Sykora – hier im Trikot von Bohemians Prag – freut sich auf die Challenge League in der nächsten Saison.

WOZ: Mämä Sykora, in einer Woche beginnt die Fussballeuropameisterschaft in Frankreich, aber lassen Sie uns zunächst über den FC Zürich reden …
Mämä Sykora: Ich finde es gut, dass der FCZ abgestiegen ist. Es ist ein schöner Beleg dafür, dass im Fussball eben doch nicht jeder Fehler verziehen wird und am Ende nicht nur das Geld über Erfolg oder Misserfolg entscheidet. Wenn man so viele Fehler in Serie macht wie der FC Zürich, dann steigt man ab, und das ist gesund.

Überall ist nun zu lesen, dass der allmächtige Präsident des FCZ, Ancillo Canepa, die Hauptschuld am Abstieg trägt. Teilen Sie diese Analyse?
Wenn jemand so viele entscheidende Positionen im Verein auf sich vereint, wie das Canepa beim FCZ macht, ist es logisch, dass er bei der Analyse rasch als Schuldiger dasteht. Es lässt sich ja alles auf ihn zurückverfolgen. Wenn man findet, dass der kürzlich entlassene, erfolglose Trainer Sami Hyypiä einen schlechten Job gemacht hat, so hat ihn schliesslich Canepa eingestellt. Alle Fäden führen nun mal zu ihm.

Gab es so etwas wie den einen grossen Fehler, oder war es eher eine ganze Reihe von Fehlern, die nun zum Abstieg geführt haben?
Es ist wichtig, eine Strategie zu haben und diese auch konsequent zu verfolgen. So arbeitet man beim FC Basel, aber auch beim FC Thun. Beim FCZ wurde die Strategie aber wiederholt gewechselt. Ein Beispiel ist jenes von Marco Bernet, angestellt als Technischer Leiter. Er verfolgte ein grossartiges Konzept, wie ein Super-League-Verein zu führen ist: Sein Fernziel war es, kaum mehr Transfers tätigen zu müssen, weil jede frei werdende Position mit einem Spieler aus dem Nachwuchs besetzt werden kann. Das funktioniert nur langfristig. Doch als es nicht gut lief, wurde Bernet erst entmachtet, und er verliess dann den Verein. Canepa warf das Konzept samt Bernet über den Haufen. Sein Fokus war völlig kurzfristig ausgelegt mit Panikkäufen und einer grossen Fluktuation im Kader. Das ging schief.

Mittlerweile ist klar, dass Canepa weitermachen will, obschon sein Ein-Mann-für-alles-Modell ins Desaster geführt hat. Wäre es nicht an der Zeit, über ein neues Modell nachzudenken? Wo wäre zum Beispiel ein selbstverwalteter und basisdemokratischer Klub, in dem die Fans bestimmen?
Es kommt darauf an, was die Ambitionen des Klubs sind. Für die erste Liga oder gar für die internationale Bühne reicht dieses Modell auf keinen Fall. Das zeigen Beispiele wie Austria Salzburg oder FC United of Manchester. Die beiden Vereine wurden ja von den Fans neu gegründet, nachdem Investoren ihre alten Vereine übernommen hatten. Der sportliche Erfolg solcher Vereine ist bisher aber bescheiden. Austria Salzburg ist zwar bis in die zweite österreichische Liga aufgestiegen, musste diese Saison aber Insolvenz anmelden. Ein von den Fans verwalteter Verein wird nicht automatisch besser oder gar rationaler geführt.

In der Schweiz gibt es einen solchen von den Fans verwalteten Verein noch nicht. Der FC Winterthur bindet seine Fans aber in viele Bereiche ein, besonders in Bezug auf die Stadionnutzung. Die machen doch vieles richtig?
Es ist schon sensationell, was der FC Winterthur bezüglich Einbindung der Fans und entsprechender Stadionatmosphäre macht. Aber die Challenge League ist das Maximum, was sie erreichen können. Der Vorteil von Winterthur ist, dass die Ambitionen – im Gegensatz zum FC Zürich – nicht so sind, dass sie unbedingt aufsteigen müssen. Der Verein ist seit Urzeiten in der Challenge League, er hat sich dort arrangiert. Dabei kommt die Liga dem Verein nicht gerade entgegen.

Wie meinen Sie das?
Es gibt nur einen Aufsteiger und nur einen Absteiger. Diese Saison zog Lausanne vorne weg und der FC Biel ging Konkurs. Die Liga war nach der Hälfte der Saison praktisch gelaufen. Da musst du die Fans auch in Winterthur erst mal dazu bewegen, dass sie den Rest der Saison noch ins Stadion kommen.

Was müsste die Liga tun, um wieder attraktiver zu werden?
Unbedingt das Barrage-Spiel wieder einführen, wo der Zweite der Challenge League gegen den Zweitletzten der Super League um den Aufstieg spielt. Die Liga argumentiert, dass mit den Barrage-Spielen plötzlich vier neue Teams in der Challenge League spielen könnten, was nicht gut für die Konstanz sei. Ich habe lieber eine spannende als eine konstante Liga.

Trotz dieses umstrittenen Modus scheint die Challenge League nächste Saison interessanter zu sein als die Super League.
Die Challenge League wird garantiert spannender. Man müsste die Liga eigentlich in NLA Classic umtaufen. Es hat alles dabei in dieser Liga. Es sind auch alle Akteure vertreten für ein grosses Drama: Es gibt den Giganten aus Zürich, die Neureichen aus Wil oder jetzt neu auch Wohlen, die traditionellen Zweitligisten wie Winterthur und Schaffhausen, dann die Traditionsvereine Servette Genf und Neuchâtel Xamax, die langsam wieder hochkommen.

Mämä Sykora (40) ist Fussballfan, ein riesiger sogar, aber es gibt keinen Klub, dem sein Herz ganz gehört. Am ehesten noch fiebert er mit dem russischen Nationalteam mit. An der kommenden Europameisterschaft würde Sykora auf Frankreich wetten: «Sie können jede Position vierfach besetzen, sie haben keinen Schwachpunkt.»