Sponsoring: Und die Öffentlichkeit sagt: «Jööööhh»

Nr. 24 –

150 000 SchülerInnen machen jedes Jahr beim von der Credit Suisse gesponserten CS Cup mit. Der Kantonsschullehrer Hans Fässler hält dieses Angebot angesichts der Geschäftspraktiken der Grossbank für unmoralisch. Die Bank übt sich in branchenüblichem Stillschweigen.

«Das waren wir nicht!»: Zielscheibe CS. Montage: WOZ

Roberto Bolaño, der grosse chilenische Autor mit dem gnadenlosen Blick auf die Welt, sagte kurz vor seinem Tod in einem «Playboy»-Interview auf die Frage nach seiner liebsten Fussballmannschaft: «Eigentlich die, die in die 2. Liga absteigen und danach in die 3., in die Regionalliga und so weiter, bis sie verschwinden. Geistermannschaften.» Das ist ein schönes Plädoyer für den Breitensport, wie es Hans Fässler gefallen dürfte, Kantonsschullehrer in Trogen AR, Historiker und Grossbankenkritiker.

Diese Woche bestritten die 300 besten von 6000 Schülermannschaften den Final des CS Cup in Basel. Niemand kennt ihre Namen, und selbst wenn sie in irgendeiner Rangliste erscheinen, sind sie morgen schon wieder vergessen. Haften bleibt ein Name: CS Cup, ausgeschrieben: Credit Suisse Cup. Die Grossbank mit dem ramponierten Ruf tut Gutes, ermöglicht Kindern ein Sporterlebnis, das sie nicht vergessen. Und die Öffentlichkeit sagt: «Jööööhh.» Wer Kinder mag, kann niemandem etwas Böses wollen. Das wissen die Mächtigen dieser Erde schon lange und nutzen es aus.

«Wie eine Schafherde»

Hans Fässlers Herz schlägt auch mit über sechzig links aussen. Fifa, Uefa, Super League – das ist für ihn kapitalistische Unterhaltungsindustrie. Er, der einst in der ersten Liga Volleyball spielte und ein passionierter Kletterer war, hat nichts gegen Fussball an sich, aber gegen dessen Vermarktungs- und Ausbeutungspraktiken. Und er hat etwas gegen die Grossbank, mit der er sich nicht zum ersten Mal anlegt. Ende Mai beantragte der einstige SP-Politiker an der Kantonaltagung der Lehrerinnen und Lehrer Appenzell Ausserrhoden (LAR), die Lehrergewerkschaft solle den Verantwortlichen der CS und des Schweizerischen Fussballverbands (SFV) ihr Missfallen über die «fragwürdigen Finanzpraktiken» der CS kundtun – und je nach Antwort und künftigem Geschäftsgebaren der Bank die Teilnahme der Ausserrhoder Schulen «allenfalls» beenden. Aus diesem moralischen Experiment wird nichts. Die LehrerInnen lehnten den Antrag ab. 342 votierten für die weitere Teilnahme am CS Cup, 137 schlugen sich auf Fässlers Seite, 91 enthielten sich der Stimme.

Vor der Abstimmung betraten zwei Kinderfussballmannschaften die Bühne und stellten den CS Cup in den schönsten Farben vor. Ein Lehrer, der einst vor einer Diktatur in die Schweiz geflohen war, sagte danach: «Naiverweise dachte ich, dass nur in despotischen Ländern Kinder für politisch-religiöse Ambitionen missbraucht werden. Entsetzt musste ich feststellen, dass diese Manipulationsmethode sogar in der Schweiz praktiziert wird. Fassungslos beobachtete ich, wie Minderjährige wie eine Schafherde auf die Tribüne gebracht und ihnen Worte in den Mund gelegt wurden, die sie gar nicht richtig aussprechen konnten.»

Auch LehrerInnen weibelten auf der Bühne für den CS Cup. Ein Pädagoge hielt einen CS-SFV-Ball in die Höhe und sagte: «Das ist das Corpus Delicti. Am CS Cup arbeiten Lehrerinnen und Lehrer seit Jahren mit Freude mit. Es gibt auch Freudentränen. Du, Hans, hast dir die falsche Gruppe ausgesucht.»

Manche KollegInnen konterten Fässlers Kritik, die CS missbrauche Schulkinder für ihre Imagepflege, mit dem Vorwurf, er missbrauche den Anlass für politische Zwecke. Der Anlass sei schliesslich freiwillig – für Schulen, LehrerInnen und Kinder.

Ball flach halten und schweigen

Wie die WOZ aus verlässlicher Quelle weiss, hat Fässlers Vorstoss, von dem sowohl der SFV wie auch die CS vorzeitig erfuhren, hinter den Kulissen für Diskussionen gesorgt. Man einigte sich darauf, den Ball flach zu halten, also zu schweigen. Die WOZ hätte gerne gewusst, wie der SFV und die CS reagiert hätten, wenn Fässlers Antrag angenommen worden wäre. Die von der WOZ schriftlich gestellten Fragen an den SFV blieben unbeantwortet. Die Antwort der CS ist PR in Reinkultur, Werbung für den CS Cup, und ignoriert die Fragen. Auch die Grössenordnung der Sponsorenbeiträge bleibt ein Geheimnis. Da habe die CS mit dem SFV «branchenüblich Stillschweigen» vereinbart.

Öffentlich vernehmen lassen hatte sich übrigens Gian Simmen, der ehemalige «Olympia-Held» und Snowboardprofi, in der «Appenzeller Zeitung» als Projektleiter des Anlasses. Er sagte dort einen bemerkenswerten Satz über Sinn und Zweck des CS Cup: «Die Kinder können sich bewegen, lernen Anstand und Respekt sowie den Umgang mit Erfolg und Niederlage.» Kein Wort zum zweifelhaften Geschäftsgebaren der Grossbank, kein Wort über Anstand und Respekt in der Finanzindustrie.

Imagepolitur im grossen Stil

In der Schweiz sponsern Unternehmen jährlich Anlässe und Projekte in der Grössenordnung von 800 Millionen Franken. Je fünfzehn Prozent fliessen in kulturelle und soziale Projekte, der grosse Rest in den Sport. Diese Angaben stammen vom Präsidenten des Swiss Sponsorship Think Tank, Sebastian Chiappero.

Die CS sponsort neben dem SFV unter anderem das Zurich Film Festival, das Opernhaus Zürich und das Lucerne Festival.