Im Affekt: Buchhaltung für Punks

Nr. 35 –

Es ist nur ein kurzer Weg vom Punk zur Philatelie. Ein kleiner Schritt zu viel, schon landest du in der Briefmarkensammlung. So ist das in der Ausstellung «Punk 1976–78», die jetzt in der British Library in London zu sehen ist: Die Verbürgerlichung der Subkultur ist durch die räumlichen Gegebenheiten gewissermassen schon vorgezeichnet.

Die ehrwürdige Bibliothek feiert den Punk? Man könnte sich ja von allen möglichen Seiten her über diese Jubiläumsschau mokieren. Darüber, dass sie so klein und überschaubar ist oder dass fast die Hälfte davon den Sex Pistols gewidmet ist. Oder dass hier eine kulturelle Explosion in Dokumenten und Memorabilien fein säuberlich in Vitrinen aufbereitet und ergo endgültig sterilisiert wird. Wobei: Wenn schon Musealisierung, dann richtig, oder? Eine Ausstellung, die hier den Geist des Punk kuratorisch simulieren wollte, würde sich doch erst recht lächerlich machen.

Für ein bisschen Anarchy in the Library hat immerhin eine prominente Vandalin gesorgt: Viv Albertine, als Gitarristin der Slits ein Punk der ersten Stunde (siehe WOZ Nr. 16/2016 ). Eine grosse Schrifttafel hat sie handschriftlich mit Filzstift korrigiert, weil im Text nur Männerbands erwähnt sind: «Where are the women?» Die Sex Pistols strich sie dreimal durch und setzte an deren Stelle die Slits hinzu, gezeichnet: Viv Albertine.

Das lustigste Dokument aber findet sich dann doch in einer Vitrine: zwei mit Schreibmaschine geschriebene Briefseiten, datiert vom 22. März 1977 und unterzeichnet von allen Mitgliedern der Sex Pistols. Es ist das formelle Austrittsschreiben von Glen Matlock, dem ersten Bassisten der Band. Darin ist in juristisch einwandfreier Bürokratensprache festgehalten, dass Matlock für seine Mitwirkung seit Gründung der Sex Pistols eine einmalige Abfindung in der Höhe von exakt 2966,98 Pfund erhält, plus 25 Pfund für einen zusätzlichen Tag im Studio.

Es ist halt auch nur ein kurzer Weg vom Punk zur korrekten Buchhaltung.

Die Ausstellung in der British Library geht noch bis am 2. Oktober 2016. Eine Geschichte zum feministischen Punk in 33 Songs gibts auf www.pitchfork.com.