China und die USA: Alles nur Fassade

Nr. 36 –

Am G20-Gipfel im ostchinesischen Hangzhou demonstrierten die USA und China Einträchtigkeit. Doch der Schein trügt: Die Spannungen zwischen den beiden Weltmächten nehmen zu.

Es war eine wohlinszenierte Show zum Auftakt des G20-Gipfels am letzten Wochenende im ostchinesischen Hangzhou. Einträchtig präsentierten der chinesische Präsident Xi Jinping und sein US-amerikanischer Amtskollege Barack Obama die Ratifikationsurkunden für das Pariser Klimaabkommen vom letzten Dezember und gelobten Zusammenarbeit bei der Bekämpfung der globalen Erwärmung. Dabei sind die Regierungen in Washington und Beijing wesentlich verantwortlich dafür, dass das Pariser Abkommen nur wenig verbindliche Bestimmungen enthält, insbesondere keine nationalen Verpflichtungen zur Reduktion der klimaschädlichen CO2-Emissionen.

Auch bei anderen Themen beschränkte sich die chinesisch-amerikanische Kooperation der letzten Jahre zumeist auf die Durchsetzung des kleinsten gemeinsamen Nenners ihrer jeweiligen Interessen, oftmals zum Nachteil Dritter. 2006, bei der Wahl des neuen Uno-Generalsekretärs durch den Sicherheitsrat etwa, warfen die USA und China zunächst alle profilierten Bewerber aus Indien und anderen asiatischen Ländern per Vetodrohung aus dem Rennen – und setzten dann den farblosen Südkoreaner Ban Ki Moon durch, von dem sie keinerlei Kritik befürchten mussten.

Bei anderen Fragen – etwa im Handels- und Währungsbereich oder in der Territorial- und Sicherheitspolitik – verhärteten sich in jüngster Zeit die Fronten. Und China gewinnt gegenüber den USA zunehmend an Gewicht.

Billiger Yuan, gefährdete TPP

So widersetzte sich Beijing bislang allen Forderungen seiner Handelspartner, die Manipulationen des Yuan durch staatliche Eingriffe zu unterlassen. Nach der jüngsten Abwertung durch die chinesische Zentralbank Anfang 2016 sank der Yuan gegenüber dem US-Dollar auf ein Fünfjahrestief. Das macht chinesische Waren im Ausland billiger, verärgert jedoch konkurrierende Exportnationen.

Die USA wiederum versuchen China durch regionale oder multilaterale Handelsabkommen auszugrenzen und insbesondere den Bau der «neuen Seidenstrasse» – die geplante Transportverbindung von Asien nach Europa – zu verhindern. Doch die Strategie der Obama-Regierung, eine von Beijing dominierte Wirtschaftsordnung im asiatisch-pazifischen Raum zu verhindern, ist vom Scheitern bedroht. So wird das transpazifische Handelsabkommen TPP zwischen Washington und elf Staaten der Region nicht mehr vor Ablauf von Obamas Amtszeit vom Kongress ratifiziert werden. Seine beiden potenziellen NachfolgerInnen lehnen das Abkommen ab.

Auch bei den Genfer Geheimverhandlungen über das neue multilaterale Dienstleistungsabkommen Tisa versuchen die Initianten – die USA, die EU und Australien –, ihre Macht zu konsolidieren. Zwar wurden zwanzig weitere Staaten eingeladen, nicht aber China sowie die weiteren grossen Schwellenländer Indien, Brasilien, Südafrika und Russland. So sollen diese keine andere Wahl haben, als einem einmal vereinbarten Tisa-Abkommen, das rund 75 Prozent des Weltmarkts an Dienstleistungen umfasst, ohne Änderungsmöglichkeiten beizutreten. Doch auch dieses Kalkül wird wahrscheinlich nicht aufgehen. Chinesische HandelsdiplomatInnen in Genf haben bereits klargemacht, dass ein Beitritt Beijings ohne Einfluss auf den Inhalt des Abkommens «nicht infrage kommt».

Wettrüsten in Afrika

Am schärfsten und möglicherweise gefährlichsten sind die territorialen und sicherheitspolitischen Konflikte zwischen den USA und China im Westpazifik und auf dem afrikanischen Kontinent. Im Südchinesischen Meer beharrt China auf seinen Ansprüchen auf die Inseln und rohstoffreichen Territorialgewässer, die auch Vietnam, die Philippinen und andere asiatische Staaten als Eigentum reklamieren. China hat seine militärische Präsenz dort mit der Errichtung künstlicher Inseln samt Luftwaffenstützpunkten sogar noch ausgebaut.

Daran änderte die Verlegung zusätzlicher US-Kriegsschiffe in den Westpazifik ebenso wenig wie die Errichtung neuer US-Militärstützpunkte in Australien und anderen Pazifikanrainerstaaten. Auch der Versuch der US-Regierung, Beijing in internationale Vereinbarungen über die Besitzansprüche in der Region einzubinden, lief ins Leere. Nicht zuletzt zeigt die harsche, ablehnende Reaktion der chinesischen Führung auf das jüngste Urteil des Internationalen Seegerichtshofs die kompromisslose Position Chinas in dem Streit. Das Gericht hatte sämtliche territorialen Ansprüche Beijings als unvereinbar mit dem Völkerrecht zurückgewiesen.

Auch auf dem afrikanischen Kontinent verstärken beide Weltmächte ihre militärische Präsenz. Am deutlichsten ist die Konkurrenz im ostafrikanischen Dschibuti, das wegen seiner Lage am Horn von Afrika sowohl für den US-geführten «Krieg gegen den Terrorismus» wie für die chinesischen Handelswegprojekte von Asien nach Europa strategisch bedeutsam ist. Die USA unterhalten in Dschibuti das Camp Lemonnier – ihre grösste Militärbasis in ganz Afrika mit über 4000 SoldatInnen. Derweil errichtet China im Norden des Landes einen Militärseehafen. Und eine chinesische Firma baut im Auftrag der Regierung Dschibutis einen Flughafen, zu dem auch die chinesische Luftwaffe Zugang erhalten soll.