Rechte Gewalt: Deutsche Brandsätze

Nr. 40 –

Eigentlich sollte zur Feier des Nationalfeiertags ein geeintes Deutschland präsentiert werden. Dresden hatte sich herausgeputzt, um die BesucherInnen auf dem geschichtsträchtigen Platz vor der Frauenkirche zu empfangen. Prominente VertreterInnen der Politik fanden sich ein, um in blumigen Reden Eintracht zu beschwören.

Doch dann passierte, was viele schon im Vorfeld befürchtet hatten: Dresden wurde zur Bühne für einen enthemmten rechten Mob. Wieder einmal. Wer die Innenstadt regelmässig mit «Volksverräter»-Rufen und Merkel-am-Galgen-Plakaten besetzt, bleibt am grossen Feiertag erst recht nicht zu Hause. Eine radikale Minderheit erobert den öffentlichen Raum – dies, nicht zuletzt, weil die Gesellschaft ihn ihr lässt.

Rund eine Woche zuvor war die Stadt schon einmal in die Schlagzeilen geraten: Unbekannte warfen Brandsätze in eine Moschee, in der sich gerade der Imam mit seiner Familie aufhielt. Ein weiterer Akt xenophober Gewalt, in Deutschland beinahe zum Alltag geworden. Da war die Attacke auf den Bürgermeister einer norddeutschen Kleinstadt, der mit einem Knüppel niedergeschlagen wurde, weil er in seiner Gemeinde eine Flüchtlingsunterkunft plante. Da war auch der Anschlag auf die Wohnung einer syrischen Familie in Mecklenburg-Vorpommern. Oder die Angriffe einer Horde Neonazis auf Flüchtlinge in Bautzen, die ein grosses deutsches Nachrichtenportal so deutete, als hätten die Extremisten bloss eine Runde um den Block drehen wollen und seien dabei von den MigrantInnen provoziert worden. Hinzu kommen «harmlosere» Attacken: Schweinsköpfe vor islamischen Einrichtungen, Pöbeleien gegen muslimische Frauen, Asylsuchende, die erniedrigt werden.

Die Liste könnte praktisch endlos weitergeführt werden – mit immer neuen Orten auf einer Deutschlandkarte der Unmenschlichkeit. Die antirassistische Amadeu-Antonio-Stiftung und Pro Asyl führen Buch über die Attacken: Seit Januar wurden 1093 Angriffe auf Flüchtlinge gezählt.

Nur einem Anflug geistiger Umnachtung kann angesichts dieser Situation ein Beitrag geschuldet sein, der wenige Tage nach den Anschlägen in Dresden in der NZZ erschien: Das Blatt sorgte sich um einen «massiven Anstieg der Gewalt» in Deutschland – von links. Zu dieser Haltung passt auch eine gern beschworene Erzählung der SVP: Seit Jahrzehnten gibt die Partei vor, Kräfte am rechten Rand erfolgreich ins direktdemokratische System einzubinden – und so rassistische Übergriffe zu verhindern. In Deutschland offenbart sich gerade das Gegenteil: Wenn sich primitive Instinkte ungehemmt Bahn brechen, ist der Weg von verbaler Brandstiftung in Parteireden oder Onlinekommentaren zur Gewalt auf der Strasse manchmal nicht weit.

Die AfD hat dabei eine erfolgreiche Strategie entwickelt. Sie ist Repräsentantin des Mobs, politische Heimat von RassistInnen. Zugleich erreicht die Partei mit ihrer Medienpräsenz, dass man glauben könnte, sie stelle die Regierung, wie das US-Magazin «New Yorker» neulich mit Erstaunen konstatierte.

Rassistische Gewalt ist in Deutschland kein neues Phänomen – die tödlichen Angriffe nach der Wende, Orte wie Rostock-Lichtenhagen und Hoyerswerda oder die Mordserie des NSU bleiben in Erinnerung. Sie muss – das zeigen gerade die Versäumnisse im Umgang mit dem NSU – als rassistisch benannt und entschieden bekämpft werden. Dass jetzt eine Partei mit rechtspopulistischem Programm im politischen Spektrum zum Machtfaktor wird, ist in der Nachkriegsgeschichte Deutschlands hingegen ein Tabubruch.

Es steht zu befürchten, dass ihr Aufstieg fürs Erste weitergeht. Doch die Verhältnisse sind längst nicht ausgemacht, zumindest rechnerisch ist auch eine rot-rot-grüne Mehrheit möglich. Wenn die Erfahrung mit RechtspopulistInnen in der Schweiz und anderen europäischen Staaten etwas gelehrt hat, dann das: Es bringt nichts, sie auszulachen, nützt wenig, sie auszugrenzen, es ist kontraproduktiv, ihre Sorgen ernst zu nehmen. Es hilft einzig, auf gesellschaftliche Probleme einzugehen und sie – wie zuletzt bei der «Durchsetzungsinitiative» – mit einer anderen politischen Vision zu beantworten.