Was weiter geschah: Autos anzünden ist schlimmer

Nr. 43 –

Anfang letzter Woche geriet das bürgerliche Weltbild für einen kurzen Moment aus den Fugen. Die Antifa Bern tauchte in vielen Medien – so auch in der WOZ – plötzlich als gut informierte und seriös recherchierende Quelle auf. Die antifaschistische Gruppe hatte öffentlich gemacht, dass in Unterwasser SG ein Neonazikonzert mit mehreren Tausend BesucherInnen stattfand, und in der Folge auch mehrere Foto- und Videoaufnahmen vom Anlass sowie wichtige Hintergrundinformationen geliefert.

Am Ende der Woche stand die Antifa Bern dann wieder dort, wo sie scheinbar hingehört: in der linksextremen Ecke. «Die fragwürdigen Detektive» hätten «selber ein Gewaltproblem», kommentierte etwa das «St. Galler Tagblatt» mit Verweis auf «gewalttätige Ausschreitungen» und «Vandalenakte auf Polizeiwachen». Und der Psychologe Samuel Althof, der in Basel die Fachstelle Extremismus und Gewaltprävention leitet, durfte in besagtem Artikel vermelden: «Das linksextreme Gewaltpotenzial ist derzeit viel grösser als das rechtsextreme.»

Die Frage über den Umgang mit Gewalt von antifaschistischen Gruppen ist durchaus berechtigt und hätte eine vertiefte Auseinandersetzung verdient. Der starre bürgerliche Blick auf die Antifa verhindert jedoch genau das. Grundlage für diesen Blick ist nämlich die weitverbreitete Extremismustheorie. Diese definiert den Rechts- und den Linksextremismus gleichermassen als Gegensatz zur Demokratie, und diese Differenz überlagert folglich alles – nicht zuletzt die Unterschiede zwischen rechtem und linkem Extremismus. Die Folge ist eine Gleichsetzung von rechter und linker Gewalt, die von der bürgerlich dominierten Politik- und Medienlandschaft übernommen wird.

Wie wenig die Gleichsetzung von Links- und Rechtsextremismus der Realität entspricht, hat keiner anschaulicher formuliert als der deutsche Autor und Kabarettist Marc-Uwe Kling in seinem Buch «Die Känguru-Offenbarung»: «‹Ich sage Ihnen ganz ehrlich: Ob Links- oder Rechtsextremismus – da sehe ich keinen Unterschied.› – ‹Doch, doch›, ruft das Känguru laut dazwischen. ‹Es gibt einen Unterschied. Die einen zünden Ausländer an, die anderen Autos. Und Autos anzünden ist schlimmer. Denn es hätte mein Auto sein können. Ausländer besitze ich keine.›»

Nachtrag zum Artikel «Unterwasser liegt in Thüringen» in WOZ Nr. 42/2016 .