Pensionskassen und Klimawandel: Die Unternehmen stigmatisieren

Nr. 47 –

Pensionskassen investieren grosse Summen in klimaschädigende Unternehmen. Versicherte proben nun den Aufstand.

Für die Umweltorganisationen ist es ein stetes Ärgernis. Schweizer Pensionskassen investieren Milliarden in Kohleminen und Kohlekraftwerke, Erdöl- und Gaskonzerne; in Unternehmen also, die aktiv dazu beitragen, dass die Erderwärmung weiter zunimmt. Dabei handelt es sich ja um Gelder der Versicherten; viele davon sind Mitglieder ebendieser Umweltverbände. Doch die Mitsprachemöglichkeiten bei den Pensionskassen sind sehr limitiert.

Wahlkampf bei Publica

Bei der Publica, mit 60 000 Mitgliedern eine der grössten Pensionskassen des Landes, die auch die Beschäftigten der Bundesbetriebe versichert, kommt es nun immerhin zu einer Art Richtungswahl. Die Klima-Allianz, ein Zusammenschluss von 65 Umweltorganisationen, Parteien, Gewerkschaften und Hilfswerken, hat sich in den Abstimmungskampf eingeschaltet und eine Liste derjenigen KandidatInnen für die Delegiertenkonferenz veröffentlicht, denen Klimaschutz ein wichtiges Anliegen ist. Die Versicherten können bis zum 27. November per E-Voting entscheiden.

Die Publica ist eine der wenigen Kassen, die die Umweltverbände zumindest zur Kenntnis nimmt. So empfing die Direktion Anfang des Jahres AktivistInnen der kleinen Umweltorganisation Fossil Free zum Gespräch. Im Juni wurde dann bekannt, dass die Kasse Anteile an einigen Kohlefirmen im Umfang von rund elf Millionen Franken verkauft hatte. Der WWF sprach daraufhin von einer «Signalwirkung». Doch laut Publica-Assetmanager Patrick Uelfeti ist die Pensionskasse weiterhin mit rund 750 Millionen Franken an Firmen aus dem fossilen Sektor beteiligt. Sogar in Unternehmen, die Kohlekraftwerke betreiben und damit zu den grössten Umweltsündern überhaupt gehören, wird weiter investiert. «Wir sind verpflichtet, uns primär von ökonomischen Kriterien leiten zu lassen», sagt Uelfeti. Wohl nur deshalb spekuliert Publica auch nicht mehr mit Erdöl, denn letztes Jahr fuhr sie damit massive Verluste ein.

Die Angst der Passiven

Wieso tun sich Pensionskassen so schwer, aus umweltschädlichen Anlagen auszusteigen? Christoph Lüthi, Geschäftsleiter der Klima-Allianz, glaubt den Grund zu kennen: «Es ist die Angst vor der Normabweichung.» Viele Pensionskassen investieren passiv, kaufen also blind das, was die meisten anderen grossen InvestorInnen auch kaufen. «Dadurch müssen sie sich bei Verlusten nicht rechtfertigen», sagt Lüthi. Bei gezielterem Investieren jedoch – etwa bewusst in ökologische Anlagen – würden sie mehr Verantwortung übernehmen. Und das wollen die meisten ganz offensichtlich nicht.

Dieses anpasserische Verhalten der Fondsmanager kommt allerdings zunehmend unter politischen Druck. In Kantons- und Gemeindeparlamenten von St. Gallen bis Genf wollen Abgeordnete wissen, wie viel Geld die Pensionskassen der öffentlichen Angestellten in klimaschädigende Unternehmen investiert haben. Ausserdem werden konkrete Forderungen an die Gemeinde- und Kantonsregierungen gestellt, ihren Einfluss auf die entsprechenden Pensionskassen auszuüben.

Doch auch die Versicherten werden aktiv: Fossil Free und die Klima-Allianz ermuntern sie, die Geschäftsführung ihrer Pensionskasse anzuschreiben und mehr Verantwortungsbewusstsein einzufordern. Die Website mein-geld-ist-sauber.ch bietet dazu die entsprechenden E-Mail-Adressen und Textbausteine.

«Die Zeit ist reif», ist Christoph Lüthi überzeugt. Doch hat es überhaupt einen Einfluss, wenn die Pensionskassen ihre Gelder von den klimaschädigenden Firmen abziehen? Ja, sagt Lüthi. Auch wenn es sich vielleicht nicht direkt auf den Aktienkurs auswirke, so trage es doch dazu bei, dass diese Unternehmen stigmatisiert würden. Es müsse für die InvestorInnen schlicht zur Norm werden, die Finger von deren Anlagen zu lassen.