Durch den Monat mit Anet Spengler (Teil 3): Töten Sie Tiere? Dürfen wir das?

Nr. 50 –

Die Agronomin Anet Spengler erklärt, warum Tiere ein Recht darauf haben, gut zu leben – und warum der Tod kein Schaden ist.

Anet Spengler: «Meine Lämmer leben vier, fünf Monate und haben ein schönes Leben. Ich glaube, das hat auch einen Wert für das Tier.»

WOZ: Anet Spengler, töten Sie Tiere?
Anet Spengler: Ja. Die Lämmer meiner Schafe, die meine Familie isst, schlachte ich selber. Manchmal bringe ich sie auch zum Metzger, aber der ist vierzig Kilometer weit weg, und mit einem einzigen Lamm will ich nicht so weit fahren. Es hat zu viel Stress, wenn es von der Herde getrennt wird. Zu Hause geht das besser.

Wie fühlt es sich an, das Töten?
Es ist schwer. Vor allem bei jungen Tieren, die noch lange leben könnten. Aber ich muss es machen, weil es meistens junge Böcke sind, die schon anfangen, aufeinander loszugehen. Irgendwann würden die einander umbringen. Ich habe das auf einem anderen Hof einmal erlebt: Wir hielten zwei Böcke in getrennten Boxen, eine hohe Abschrankung dazwischen. Trotzdem sprang in der Nacht einer zum anderen rüber und brachte ihn um.

Wie bereiten Sie sich auf das Schlachten vor?
Ich gehe mehrmals zum Lamm und beschreibe ihm, was ich vorhabe. Natürlich versteht es die Worte nicht, aber es merkt, dass etwas anders ist als sonst. Das ist auch für mich wichtig: Sonst hätte ich das Gefühl, das Tier zu hintergehen.

Aber das Tier kann sich den Tod ja nicht vorstellen.
Nein, sicher nicht. Aber was ich ganz klar beobachten kann: Das Tier hat kaum Stress. Das Beste wäre, alle Tiere auf den Betrieben zu schlachten. Die Fahrt zum Schlachthof, die unbekannte Umgebung, die vielen anderen Tiere, die es noch nie gesehen hat: Das ist alles sehr stressig für ein Tier.

Wie haben Sie schlachten gelernt?
Zuerst habe ich oft zugeschaut, dann habe ich unter der Aufsicht eines Metzgers selbst angefangen. Ich denke, es ist in Ordnung, diese Tiere zu schlachten. Jedes Jahr kommen Lämmer zur Welt, es können nicht immer mehr werden, und ich möchte auch die Schafe nicht daran hindern, Junge zu haben. Darum muss ich in diesen Kreislauf immer wieder eingreifen, wenn ich Tiere halte. So wie ich sie auch füttere und schaue, dass sie gesund sind. Trotzdem denke ich viel darüber nach: Wie kann ich das erklären, dass ich Tiere töten darf und Menschen nicht?

Wir geben uns die Befugnis, zu entscheiden, wann das Leben eines Tiers aufhört.
Ja. Und diese Befugnis haben wir bei Menschen nicht. Aber etwas gefällt mir nicht an den Diskussionen über Metzgen und Fleischessen: Man stellt es dar, als wäre der Tod etwas ganz Schlimmes. Das finde ich nicht. Ein schlechtes Leben ist schlimm! Aber der Tod gehört zum Leben. Er ist kein Schaden.

Frisch geschlüpfte Hähne werden umgebracht, weil sie keine Eier legen werden. Ist das schlimm?
Ich finde es nicht in Ordnung, wenn man so ein junges Leben einfach auslöscht – weil man weiss, was es für ein Potenzial hätte. Aber man soll die Hähne nur leben lassen, wenn sie gut leben können. Meine Lämmer leben vier, fünf Monate und haben ein schönes Leben. Ich glaube, das hat auch einen Wert für das Tier.

Kulturen, die jagen, haben sehr enge Beziehungen zu Tieren. Tiere lieben und Tiere töten muss kein Widerspruch sein.
Überhaupt nicht! Man muss Tiere gern haben, wenn man das gut machen will.

Wir unterscheiden ja zwischen Tierarten. Manche sind uns näher, weil wir sie herzig finden … Ist das fragwürdig?
Ich denke oft darüber nach. Ich hätte wahnsinnig Mühe, meinen Hund zu töten. Es hängt damit zusammen, wie nah wir das Bewusstsein eines Tiers wahrnehmen. Beim Hund ist es sehr nah. Ich kann mit ihm reden, und er versteht es ein Stück weit. Meine Beziehung zu ihm ist ähnlicher wie die zu einem Menschen als bei den Schafen.

Es gibt Tierrechtsgruppen, die Grundrechte für Primaten fordern. Finden Sie das gut?
Ich glaube, es ist richtig, zwischen den Tierarten zu differenzieren – weil sie unterschiedliche Möglichkeiten und Bedürfnisse haben. Ich würde Primaten nicht mit Menschen gleichsetzen, aber ein Grundrecht sollte jedes Tier haben: Es muss das ausleben können, was immanent zu seiner Lebensweise gehört – was in seinem Leben zentral ist. Das ist nicht bei allen Tierarten das Gleiche. Im Zoo sieht man das schön: Bei manchen Tieren hat man das Gefühl, die leben da gut. Und bei anderen – vor allem bei Raubtieren – spürt man: Diesem Tier ist es nicht wohl. Weil es Bedürfnisse hat, die man im Zoo nicht befriedigen kann.

Wenn wir die Tierhaltung abschaffen würden, wie es manche Veganerinnen und Veganer wollen, hätten wir kaum noch mit Tieren zu tun …
Wir teilen mit den Tieren die Seelenwelt. Und es ist so interessant, sie mit ihnen zu teilen. Ich habe das Gefühl, sie finden es auch interessant mit uns. Ich möchte die Seelenwelt nicht nur mit Menschen teilen.

Manchmal kommen Schulklassen zu mir, wenn die Schafe geschoren werden. Sie merken schnell, dass sie mit den Schafen vorsichtig umgehen müssen. Auch zappelige Kinder lernen, ein Schaf zu beruhigen, und werden dabei selbst ruhiger. Ein Leben ohne Tiere wäre ein Riesenverlust. Man lernt so viel von ihnen.

Anet Spengler (53) ist Agronomin am Forschungsinstitut für biologischen Landbau (FiBL).