Spanien: Podemos vor dem Neustart?

Nr. 50 –

In der Bewegungspartei ist ein Richtungsstreit entbrannt. Im Mittelpunkt des Konflikts: die Vorsitzenden Íñigo Errejón und Pablo Iglesias.

Podemos ist in den vergangenen zwei Jahren von ihren Vorsitzenden Pablo Iglesias und Íñigo Errejón vor allem auf Wahlkampftauglichkeit getrimmt worden. Die Partei verortete sich als «offene Bürgerplattform» ausserhalb des traditionellen politischen Spektrums, um auch nichtlinke WählerInnen anzusprechen. Gleichzeitig sollte das Fehlen inhaltlicher Positionen durch die hervorgehobene Rolle des alternativen Fernsehjournalisten Iglesias wettgemacht werden. Errejón unterfütterte diese Strategie mit theoretischen Anleihen bei den PopulismusvordenkerInnen Ernesto Laclau und Chantal Mouffe. Podemos sollte demnach einen Diskurs entwickeln, der politisch zwar polarisiert, andererseits aber auch nicht allzu grosse Widerstände provoziert. In diesem Sinn erkor man die «korrupte politische Kaste» zum Hauptgegner, vermied gleichzeitig aber eine Festlegung, wofür man – jenseits einer sozialeren Politik – programmatisch eigentlich einsteht.

Nach den letzten beiden Parlamentswahlen hat sich diese Strategie als zunehmend problematisch erwiesen. Bei den Verhandlungen um die Regierungsbildung musste sich Podemos nämlich entscheiden, ob man gemeinsam mit den nationalliberalen Ciudadanos den konservativen Regierungschef Mariano Rajoy abwählen (wie es Errejón bevorzugt hätte) oder ob man auf derartige Kooperationen verzichten und weiter auf einen politischen Bruch hinarbeiten sollte (wie es Iglesias und die Parteilinke forderten). Immer grösser wurde zudem die Kluft zwischen den radikaldemokratischen Gründungsthesen von Podemos und dem tatsächlichen, völlig auf die Vorsitzenden Iglesias und Errejón zugeschnittenen Parteileben. So sind etwa die Führungsgremien bei Podemos autokratischer strukturiert als bei den meisten anderen Linksparteien in Westeuropa. Aufgrund eines besonderen Wahlmodus konnte die von Iglesias und Errejón gemeinsam gebildete Liste beim Gründungskongress im Oktober 2014 sämtliche Posten im sechzigköpfigen Parteivorstand mit eigenen Leuten besetzen.

Partei oder Bewegung?

Auf dem bevorstehenden Parteikongress könnten nun vor allem diejenigen Gehör finden, die diese Form des Parteiaufbaus schon 2014 kritisierten. Vor allem Bewegungslinke und die revolutionär-sozialistischen Anticapitalistas forderten damals eine pluralere Führungsstruktur und kritisierten die ausschliessliche Fokussierung auf Wahlen. Ihrer Ansicht nach hätte es vielmehr darum gehen müssen, eine politische Bewegung aufzubauen, die soziale Kämpfe unterstützt und Veränderungen auch durch ausserparlamentarische Mobilisierung erzwingt. Statt PR-Kampagnen und Spindoktoren propagierten sie Basisarbeit und Dezentralisierung.

Dass das Gewicht dieser Strömung nun wachsen könnte, liegt nicht zuletzt daran, dass das Bündnis der Parteiführer Iglesias und Errejón zerbrochen und ein nervenaufreibender Kleinkrieg zwischen den beiden entbrannt ist. Während Errejón weiterhin alle Äusserungen scheut, die grösseren politischen Widerspruch provozieren könnten, und sich vom Medienkonzern um die Tageszeitung «El País» unterstützen lässt, orientiert sich Iglesias immer deutlicher an der Tradition des italienischen Eurokommunismus der siebziger Jahre und betont nun ebenfalls die Bedeutung ausserparlamentarischer Kämpfe.

Schon bei den parteiinternen Regionalwahlen in Madrid im November konnte sich die Strömung von Iglesias nur dank eines Bündnisses mit den Anticapitalistas gegenüber der Fraktion um Errejón behaupten. Bemerkenswerterweise erhielt Isabel Serra, die Kandidatin der Anticapitalistas, dabei mehr Stimmen als Ramón Espinar, der Vertraute von Iglesias – was zeigt, dass die Stimmung innerhalb der Partei nach links tendiert.

Die katalanische Frage

Den internen Auseinandersetzungen bei Podemos kommt auch deshalb Bedeutung zu, weil die politischen Konflikte in Spanien sich im kommenden Jahr erneut zuspitzen könnten und die Bewegungspartei dann eine Schlüsselrolle spielen dürfte. So hat die sozialliberale katalanische Autonomieregierung von Ministerpräsident Carles Puigdemont für September 2017 die Durchführung eines Unabhängigkeitsreferendums angekündigt, das die Zentralregierung in Madrid um jeden Preis, notfalls auch mit Gewalt, verhindern will. Kommende Woche bereits werden Gewerkschaften und Parteien in Katalonien auf einer Grosskonferenz über die Ausgestaltung des Referendums debattieren.

Die Haltung der spanischen Linken um Podemos in diesem Konflikt wird mit darüber entscheiden, ob die rechtskonservative PP ein spanisches Allparteienbündnis gegen diese Demokratie- und Selbstbestimmungsforderungen schmieden kann – oder ob sie über den Konflikt womöglich doch noch stürzen wird.