Klimaschutz: Der Fleischkonsum bleibt tabu

Nr. 16 –

Mit dem geplanten CO2-Gesetz soll erstmals auch die Landwirtschaft ihre Treibhausgasemissionen senken. Allein mit dem Einsatz neuer Technologien sind grosse Reduktionen aber unmöglich. Helfen würde eine Reduktion des Fleischkonsums.

Wenig effektiv: Mit Leinsamen im Tierfutter die Methanbildung hemmen. Foto: Ursula Häne

Kühe sind für das Klima ein Problem, denn die Wiederkäuer produzieren grosse Mengen des Treibhausgases Methan. Die Landwirtschaft ist für 13  Prozent der gesamten Treibhausemissionen in der Schweiz verantwortlich, 85  Prozent davon entfallen laut dem Treibhausgasinventar des Bundes auf die Nutztierhaltung. Nicht miteinberechnet sind die vielen Tonnen Futtermittel, die vor allem für Schweine und Hühner importiert werden und oft von Feldern stammen, für die Wälder gerodet wurden.

Bisher blieb die Landwirtschaft von Klimazielen verschont. Mit dem neuen CO2-Gesetz soll sich das ändern. Nach dem Entwurf des Bundesrats sollen die Treibhausgasemissionen aus der Landwirtschaft bis im Jahr 2050 um ein Drittel gegenüber 1990 zurückgehen.

«Wie ein heisser ‹Härdöpfel›»

AgrarforscherInnen tüfteln bereits an klimaschonenden Bewirtschaftungsmethoden. Ideen existieren viele: So soll etwa die Methanbildung in Wiederkäuern gehemmt werden – dank Futterzusätzen wie Leinsamen oder Tanninen oder mithilfe gezielter Züchtungen. Andere Ansätze sind die Ansäuerung oder Abdeckung von Gülle, um die Ammoniak- und Methanemissionen zu hemmen. In einer Studie berechnete Daniel Felder vom Bundesamt für Landwirtschaft (BLW) mit KollegInnen der Forschungsanstalt Agroscope das Reduktionspotenzial von dreizehn solchen Massnahmen. Das Resultat fällt ernüchternd aus und zeigt, dass landwirtschaftliche Betriebe so maximal Treibhausgasemissionen im einstelligen Prozentbereich einsparen können. Die AutorInnen schliessen: Um die Reduktionsziele zu erreichen, muss der Nutztierbestand in der Schweiz schrumpfen.

Doch viele MilchproduzentInnen haben in den letzten Jahren grosse Ställe gebaut, die sie nun mit hohen Milchleistungen amortisieren möchten. Und für viele Futtermittel existiert kaum ein Grenzschutz. «Das führt zu einer im europäischen Vergleich hohen Tierdichte und damit zu hohen Nährstoffüberschüssen und Treibhausgasemissionen», erklärt Felder. Aber, entgegnet Sandra Helfenstein vom Schweizer Bauernverband, weniger Tiere seien nur dann zielführend, wenn die KonsumentInnen weniger Fleisch essen und auch nicht im Ausland mehr davon einkaufen.

So schieben alle die Verantwortung von sich: Die Landwirtschaft sieht die KonsumentInnen, Grossverteiler und den Detailhandel in der Verantwortung, die KonsumentInnen wollen, dass sich die Politik etwas einfallen lässt. Diese setzt allerdings auf die Eigenverantwortung der KonsumentInnen. «Das Thema wird wie ein heisser ‹Härdöpfel› behandelt», sagt Felder. Um dieses Dilemma zumindest ansatzweise zu lösen, startet das BLW eine Art «runden Tisch»: unter anderem mit dem Detailhandel, dem Bauernverband und dem Konsumentenschutz. «Wir möchten identifizieren, wer wo Einfluss auf ein nachhaltiges Ernährungssystem nehmen könnte», sagt Felder, räumt aber ein, dass das Projekt harzig vorankomme.

Für einen massvollen Konsum

Zwar zeigt der Agrarbericht 2018, dass der Fleischkonsum in der Schweiz langsam abnimmt. Während Geflügelfleisch in den letzten Jahren zugelegt hat, verzeichnen vor allem Schweine- und Kalbfleisch einen Rückgang. Trotzdem essen Schweizerinnen und Schweizer jährlich rund fünfzig Kilogramm Fleisch- und Wurstwaren – dreimal mehr, als für die Umwelt verträglich ist. «Bereits ein zurückhaltender Fleischkonsum verbessert die persönliche Umweltbilanz ähnlich stark wie eine rein vegetarische Ernährung.» Das twitterte das Bundesamt für Umwelt (Bafu) vor kurzem. Es ist ein Versuch, das Thema «gewissenhafter Fleischverzehr» unter die Leute zu bringen. Für viel mehr Sensibilisierung fehle das Geld, sagt das Bafu.

Von Sensibilisierungskampagnen hält Balthasar Glättli, Fraktionschef der Grünen, allemal nicht viel. Viel wichtiger sei es, Rahmenbedingungen zu schaffen, die einen massvollen Fleischkonsum förderten. «Der Bund soll endlich aufhören, Fleischwerbung zu subventionieren», sagt der Zürcher Nationalrat. Das forderte er bereits vor drei Jahren. Auch die zwei Vorstösse von SP-Nationalrat Beat Jans zu diesem Thema unterstützte Glättli im Jahr 2015 – vom Parlament wurden aber beide abgelehnt. So zahlt der Bund weiterhin jährlich rund fünf Millionen Franken für die sogenannte Absatzförderung von Fleisch.

Inwiefern sich die Fleisch-Klima-Problematik in den Wahlprogrammen der Parteien niederschlägt, wird sich zeigen. Die Grünen wollen das Thema nach der gescheiterten Fairfood-Initiative in «geeigneter Form» wieder aufnehmen. Zudem unterstützen sie die Volksinitiative gegen Massentierhaltung – diese fordert, der Bund müsse Kriterien für eine tierfreundliche Haltung festlegen. Das würde automatisch zu tieferen Tierbeständen führen. Die SP strebt zwar keine Verhaltensregeln an, auch sie fordert aber weniger Massentierhaltung. Ebenso schreibt die GLP auf Anfrage, man wolle keine staatlichen Vorschriften oder gar Verbote, sondern vielmehr bestehende Fehlreize abschaffen. So startete GLP-Nationalrätin Tiana Moser vor kurzem einen neuen Versuch, um die Subventionen für die Entlastung des Fleischmarkts bei Überschüssen zu streichen. Der Bundesrat beantragt allerdings die Ablehnung der Motion.