Feministische Ökonomie: Wie die Frauen um 100 Milliarden betrogen werden

Nr. 22 –

Neue Zahlen zeigen, wie krass ungleich die Bezahlung von Arbeit in der Schweiz ist. Die feministische Ökonomin Mascha Madörin analysiert die Gründe und erklärt, wieso Roboter das Problem noch verschärfen. Und sie stellt radikale Lösungsansätze zur Debatte.

Mascha Madörin in ihrem Garten: «Man kann Ökonomie auch umgekehrt denken: Der Staat kann Leistungen ermöglichen, die nicht rentabel, aber existenziell notwendig sind.»
Über eine Milliarde Stunden Kinderbetreuung Quelle: Feministische Fakultät; Grafik: WOZ

WOZ: Mascha Madörin, Sie haben berechnet, dass Frauen in der Schweiz jährlich 110 Milliarden Franken weniger verdienen als Männer. Wie kommt dieser riesige Einkommensunterschied zustande?
Mascha Madörin: Die Zahl beruht auf den neusten Daten des Statistischen Amts der Europäischen Union, das seit kurzem für die einzelnen Länder einen sogenannten Gender Overall Earnings Gap – auf Deutsch geschlechtsspezifischer Gesamteinkommensunterschied – eruiert. In der Schweiz beträgt dieser Unterschied 44,5 Prozent, was gemäss meinen Berechnungen für das Jahr 2014 rund 110 Milliarden Franken entspricht – ohne GrenzgängerInnen rechne ich mit 100 Milliarden Franken. Von den 110 Milliarden ist ein Viertel die eigentliche Lohnlücke, der sogenannte Gender Pay Gap, also das, was Frauen, wenn sie Lohnarbeit leisten, pro Stunde weniger verdienen als Männer. Rund vierzig Prozent davon gehen auf statistisch unerklärliche Lohnunterschiede zurück, die nichts mit Ausbildung, Qualifikation oder Lohnniveau zu tun haben; sie dienen der Schätzung von Lohndiskriminierung.

Und der grosse Rest?
Der resultiert aus der ungleichen Verteilung von unbezahlter Arbeit. Wenn man die gesamte Arbeitsbelastung von Personen im erwerbsfähigen Alter anschaut – bezahlt und unbezahlt zusammen –, arbeiten Männer und Frauen in der Schweiz etwa gleich viel. Aber Frauen leisten viel mehr unbezahlte Arbeit. Das Bundesamt für Statistik berechnet regelmässig den Wert der unbezahlten Arbeit in der Schweiz; der Teil, den Frauen mehr leisten als Männer, entsprach im Jahr 2016 rund 85 Milliarden Franken.

Ist dieser Einkommensunterschied extremer als in anderen europäischen Staaten?
Mit 44,5 Prozent gehört die Schweiz zu der westeuropäischen Ländergruppe mit den grössten geschlechtsspezifischen Gesamteinkommensunterschieden. Dazu gehören erstaunlicherweise auch die Niederlande, die mit 47 Prozent an erster Stelle liegen, Grossbritannien, Deutschland und Österreich. Die Schweiz liegt an fünfter Stelle. Aber auch Frankreich und Schweden haben mit 31 respektive 26 Prozent bemerkenswert grosse Unterschiede.

Wie erklären Sie sich das? Die Niederlande, Schweden und Frankreich betreiben ja seit Jahrzehnten eine fortschrittliche Gleichstellungspolitik.
Ich weiss es nicht. Aber wir müssen es herausfinden. Wir haben dreissig oder vierzig Jahre Gleichstellungspolitik hinter uns. Jetzt liegen viele Daten vor. Bei diesen Dimensionen der Einkommensunterschiede stellen sich ganz grundsätzliche ökonomische Fragen. Es geht um mehr als um die Vereinbarkeit von Beruf und Familie. Denn offenbar löst sich das Problem nicht von selbst, wenn mehr Frauen Vollzeit arbeiten.

Wie gehen Sie als Ökonomin diese Fragen an?
Ich habe versucht, alle Themen, die Frauen in den siebziger Jahren aufgeworfen haben, zu untersuchen. Dabei habe ich festgestellt, dass die Wirtschaftswissenschaften einen Bereich bisher völlig ausgeblendet haben, nämlich die Zukunft der Sorge- und Versorgungswirtschaft, also der Care-Ökonomie. Diese umfasst alle bezahlten und unbezahlten Tätigkeiten rund um die tägliche Sorge und Versorgung von Menschen, die personenbezogenen Dienstleistungen eben. Zum bezahlten Teil gehören unter anderem die Bildung oder das Gesundheitswesen, zum unbezahlten die Hausarbeit und die Betreuung von Kindern und Kranken. Meiner Meinung nach steht und fällt die Frage nach der Gleichberechtigung damit, wie eine Gesellschaft die Care-Ökonomie organisiert.

Unbezahlte Arbeit im Wert von 248 Milliarden Franken Quelle: Feministische Fakultät; Grafik: WOZ

Eine alte feministische Forderung lautet, dass Hausarbeit bezahlt werden soll. Wie stehen Sie dazu?
Ich habe zusammen mit meinen Kolleginnen vom Netzwerk Wide Optionen diskutiert. Wir sind zum Schluss gekommen, dass das Aufziehen von Kindern und die Pflege von Alten und Kranken zu Hause bezahlt werden müsste.

Um wie viel Geld geht es da?
Wenn man alle unbezahlte Arbeit von Männern und Frauen rund um das Aufziehen von Kindern bis vierzehn Jahre – inklusive die zusätzlich nötige Hausarbeit – bezahlen würde, wären das in der Schweiz geschätzte 107 Milliarden Franken pro Jahr oder 7000 Franken pro Monat pro Paarhaushalt mit zwei Kindern. In diese Richtung sollte es gehen, das wäre ein riesiger Befreiungsschlag für die Frauen!

Wieso die Frauen weniger verdienen Quelle: Feministische Fakultät; Grafik: WOZ

Welche und wie viel Arbeit würde vergütet?
Das sind die politisch brisanten Fragen. Auch: Mit welchem Stundenansatz würde sie vergütet? Welche Institutionen würden dies gewährleisten? Geht das Geld direkt an die Mütter oder an Haushalte, wie es das Konzept «Lohn für Hausarbeit» vorsieht, oder an Angestellte staatlicher Kinderkrippen wie in den skandinavischen Ländern? Eine Gruppe innerhalb der kritischen Demokraten in den USA arbeitet jetzt an einem Projekt für eine staatliche Jobgarantie: Der Staat würde Minimaleinkommen für Beschäftigte zivilgesellschaftlicher Initiativen garantieren, die Versorgungsleistungen in der Bildung, Pflege, Betreuung und so weiter erbringen. Alle, die arbeitslos sind, hätten ein Recht auf einen solchen Job. Es gäbe also ein Recht auf Arbeit, die in der Gesellschaft notwendig ist, und ein Recht darauf, dass sie bezahlt wird. In Argentinien hatte diese Idee während der Krise bereits einen Riesenerfolg: Der Staat finanzierte als Krisenmassnahme solche Initiativgruppen. Sehr viele Frauen, vor allem aus Slums, erhielten etwa für öffentliche Küchen oder Kinderhütedienste Geld.

Bei beiden Modellen, der bezahlten Haus- und Familienarbeit und der staatlichen Jobgarantie, stellt sich die Frage, wie das finanzierbar wäre. Ohnehin ist die Finanzierung der Care-Arbeit schwierig. Sie haben verschiedentlich davor gewarnt, dass uns eine Care-Krise bevorstehe. Können Sie erklären, warum?
Das Problem ist, dass die personenbezogenen Dienstleistungen in der Care-Ökonomie relativ gesehen immer teurer werden, und zwar wegen des technologischen Fortschritts: Je grösser dieser in Sektoren ist, in denen man durch Technologie Arbeit einsparen kann, desto teurer wird nichtautomatisierte Arbeit im Vergleich dazu. Ein konkretes Beispiel: In den siebziger Jahren brauchte man etwa sechzig durchschnittliche Jahreseinkommen, um einen Computer mit grosser Rechenleistung zu kaufen. Wenn jemand schwer pflegebedürftig war, brauchte man drei oder vier Jahreseinkommen, um die Pflegearbeit zu bezahlen. Heute reicht das Einkommen von einigen Stunden, um ein Smartphone zu kaufen, das mehr Kapazität hat als die Grossrechner von damals. Die pflegebedürftige Person braucht aber noch immer gleich viel Einkommen, um die Pflege zu bezahlen – Roboter können nun mal nicht pflegen. Das ist ein Prinzip des technischen Fortschritts: Je stärker die Automatisierung, desto höher wird vergleichsweise der Preis für Dienstleistungen und Produkte, die nach wie vor arbeitsintensiv sind. Dies betrifft auch andere Branchen, etwa den Journalismus oder die Wissenschaften.

Es entsteht also ein Finanzierungsproblem in allen Branchen, in denen sich durch technischen Fortschritt nicht wesentlich Zeit einsparen lässt?
Ja. Und das wird zu einem generellen gesellschaftspolitischen Problem werden. Das ist eine der grossen Zukunftsfragen, sie wird aber nirgends diskutiert. Die Frage ist, wie wir als Gesellschaft den Zugang zu Dienstleistungen organisieren, die wir unbedingt brauchen – und zwar für alle. Weil Care-Arbeit relativ gesehen immer teurer wird, verschärft sich die Armutsproblematik: Arme werden sich den Zugang zu Sorge- und Versorgungsleistungen nicht mehr leisten können. Wir müssen klären, wie wir Leistungen finanzieren, die ein elementarer Teil der Menschenrechte sind: dass Kinder gut aufwachsen, dass man gepflegt wird, wenn man krank ist, und so weiter. Wie organisieren wir das, ohne dass eine gesellschaftliche Gruppe – bis jetzt waren es die Frauen – ausgebeutet wird? Um diese Debatte kommen wir nicht herum. Und man kann sie nicht trennen von der Nachhaltigkeitsdebatte. Denn das Gemeinsame ist: Eine nachhaltige Landwirtschaft ist arbeitsintensiver als eine konventionelle, und für diese Arbeit müssen wir eine Finanzierung finden. Das ist das gleiche Problem wie bei der Care-Arbeit.

Wie lässt sich das angehen?
Im Grunde dürfte es gar kein Problem sein! Wir sind reich genug. Wenn man nur noch einige Hundert Franken für ein Smartphone ausgeben muss, hätte man eigentlich – so müsste man meinen – mehr Geld für Pflege zur Verfügung. Sollte das nicht das Prinzip des ökonomischen Fortschritts sein? Aber wir leben in einer geldgesteuerten Ökonomie. Geld fliesst im Kapitalismus nur dorthin, wo man Erträge erzielen kann, überall sonst fehlt es. Das kann man nur ändern, indem man diese Bereiche subventioniert. Die Mainstreamökonomie dreht sich immer um Verknappung und – aus linker, kritischer Perspektive – um Erpressung. Aber man kann Ökonomie auch umgekehrt denken, nämlich als Ermöglichungsökonomie. Der Staat kann Leistungen ermöglichen, die nicht rentabel, aber existenziell notwendig sind.

Und wie kann der Staat das finanzieren? Über höhere Steuern?
Ja, die Staatsquote muss in der Schweiz grösser werden. Politisch ist das so schwer durchzusetzen, weil höhere Einkommens- oder Mehrwertsteuern die Männer stärker treffen würden als die Frauen. Dazu könnten die Staaten mehr Geld schöpfen lassen. Das passierte in der Vergangenheit immer wieder, wenn etwas unbedingt gemacht werden musste, vor allem zur Finanzierung von Kriegen. Der Volkswirtschafter und Nobelpreisträger Paul Krugman sagt heute: «Wir haben die Wahl: Entweder finanzieren wir einen Krieg, um die Wirtschaft anzukurbeln, oder wir geben viel mehr Geld aus für die Care-Ökonomie: für Bildung, Gesundheit, die Pflege der Alten und so weiter.» Aber es ist tabu, dafür Geld zu schöpfen.

Fänden Sie das sinnvoll?
Ja, im Prinzip. Aber es braucht ökonomietheoretische Debatten und Klärungen, wann dies möglich ist und wann nicht. Gegenwärtig gibt es zu dieser Frage eine Kontroverse. Klar ist: Wenn nicht Konsum finanziert wird, sondern wenn ungenutzte Ressourcen, insbesondere Arbeitskräfte, für neue Leistungen mobilisiert werden und der Lebensstandard dadurch steigt, dann sollte es keine Inflation geben. Inflation gibt es, wenn zu wenig produziert wird. Was nicht klar ist und bisher nicht theoretisch erörtert wird, ist, was ökonomisch passiert, wenn Arbeit, die bisher unbezahlt erbracht wurde, bezahlt wird.

Ich möchte nochmals auf die Genderfrage zurückkommen: Sie haben mehrfach geschrieben, dass Frauen – und vor allem Mütter – im jetzigen Wirtschaftssystem erpressbar seien. Können Sie das näher erläutern?
Ich meine, dass wir eine zusätzliche Theorie der Erpressbarkeit entwickeln müssen. Die marxistische Theorie sagt, dass Menschen, die keine eigenen Produktionsmittel – Boden, Werkzeuge, Maschinen – haben, erpressbar sind. Die Eigentümer der Produktionsmittel können sie zwingen, zu Bedingungen zu arbeiten, die sie nicht selbst bestimmen können. Denn sie müssen als Lohnabhängige Geld verdienen, um ihre Existenzsicherung wie Essen, Kleider und Wohnen zu finanzieren. Die Schwäche von Marx’ Erpressungstheorie ist, dass sie nur die Lohnarbeit und damit nur einen Teil unserer Existenzsicherung anschaut. Nach wie vor hängt aber ein grösserer Teil der Existenzsicherung von unbezahlter Arbeit ab.

Und wenn lebensnotwendige Arbeit nicht bezahlt wird, entsteht ein Zwang, sie gratis zu leisten?
Ja. Beim Fall des Eisernen Vorhangs war das eindrücklich zu sehen: Da hörte man aus Osteuropa Berichte über den Zusammenbruch der sozialen Systeme, der Sozialversicherungen, des Gesundheitswesens und so weiter. Ich hörte damals am Radio ein Interview mit einer Ukrainerin, einer akademisch ausgebildeten Frau. Sie gab einen guten Job auf, um einen ehrenamtlichen Dienst zur Versorgung von verarmten Rentnerinnen und Rentnern aufzubauen. Als sie gefragt wurde, ob sie damit nicht wieder die traditionelle Frauenrolle übernehme, antwortete sie: «Doch. Aber wer von uns macht es sonst?» Das ist eine Erpressungssituation. Es gibt einfach Leute in Not, die Hilfe brauchen. Kinder, die weinen und versorgt werden müssen. Diese Arbeit nicht zu machen, wäre barbarisch.

Warum reagieren vor allem Frauen auf diese Erpressung? Auch Männer können Kinder, Alte und Kranke versorgen.
Ich glaube, weil es in der Geschichte Frauen, Sklaven oder Leibeigene waren, die diese lebensnotwendige Arbeit leisteten. Marx hat solche Arbeitsteilungen analysiert, aber ihn interessierten am Ende nur die Lohnabhängigen in Landwirtschaft und Industrie. Als dann die Feministinnen fragten, warum die Frauen die Care-Arbeit machen, begann die Analyse des Patriarchats, des Systems der Ehe, der Kontrolle über Frauen und der Eigentums- und Erbrechte.

In den vergangenen Jahrzehnten gab es grosse Fortschritte im Ehe-, Scheidungs- und Erbrecht.
Ja, seit Beginn der neuen Frauenbewegung in den siebziger Jahren hat sich die rechtliche Situation der Frauen entscheidend verbessert. Doch heute scheint mir die Geldknappheit der dominierende Herrschaftsmechanismus zu sein.

Welche Rolle spielt da die finanzielle und zeitliche Belastung des Kinderaufziehens?
Nach wie vor hat es eine Frau in der Schweiz sehr schwer, ein Kind ohne Partner, der sie voll unterstützt und Arbeit übernimmt, aufzuziehen. Wenn man bei einem Paarhaushalt von einer Arbeitsbelastung von 200 Prozent ausgeht – bezahlt und unbezahlt zusammen –, dann steigt sie mit Kind auf fast 300 Prozent. Wenn man gleich viel freie Zeit wollte, bräuchte es also eine arbeitende Person mehr. Aber man hat ja das Geld nicht, um diese zu bezahlen! Und dafür müsste der Staat Geld bereitstellen. Denn sonst besteht immer ein Zwang, diese Arbeit unbezahlt zu leisten. Da Frauen im Durchschnitt weniger verdienen als Männer, ist es besser, wenn sie die unbezahlte Arbeit aufstocken und der Partner die bezahlte.

Mit gravierenden ökonomischen Konsequenzen für die Frauen, wenn sie es sind, die den Grossteil der unbezahlten Care-Arbeit übernehmen.
Ja, Frauen sind heute ständig knapp an Zeit und Geld. Jedes Jahr 100 Milliarden Franken weniger zu haben – allein in der Schweiz –, das ist entscheidend! Das ist ein grosses Problem, und das müssen wir ändern. Dazu gehört auch die Altersvorsorge: Wir müssen bei der Pensionskasse eine zusätzliche Rentenfinanzierung für die unbezahlten Leistungen, die Frauen im Lauf ihres Lebens erbringen, finden. Es geht einfach nicht, dass Frauen so tiefe Renten haben, nachdem sie im Interesse der Gesellschaft so viel unbezahlt geleistet haben.

Die enorme finanzielle Benachteiligung verlangt nach politischen Massnahmen. Welche Hoffnungen und Ziele verbinden Sie mit dem kommenden Frauenstreik?
Mein Ziel ist, dass niemand mehr in der Schweiz über Sozialpolitik, Rentenaltererhöhung, Altersvorsorge oder Gleichstellung reden kann, ohne über die 100 Milliarden zu reden, die den Frauen jedes Jahr vorenthalten werden.

Mascha Madörin (Jahrgang 1946) ist Ökonomin und hat vor allem zur Entwicklungsökonomie, zum Finanzplatz Schweiz und zu Südafrika während der Apartheid gearbeitet. Sie ist eine Pionierin der feministischen Ökonomie.

Katharina Wehrli ist verantwortlich für das Magazin «Moneta» der Alternativen Bank Schweiz. Dieses Interview beruht auf einem mehrstündigen Gespräch, das teilweise auch in der «Moneta»-Ausgabe «Frauen und Geld» erschienen ist.

Der Makroskandal

Gemeinsam mit der Ökonomin Mascha Madörin hat die Organisation Feministische Fakultät am Dienstag drei Zahlen unter dem Titel «Makroskandal – Betrug an Frauen» publiziert. Die Berechnungen legen die immense unbezahlte Leistung der Frauen für die Schweiz frei: Erstens haben Frauen in der Schweiz 100 Milliarden Franken weniger Einkommen als Männer pro Jahr, obwohl Frauen und Männer ungefähr gleich viele Stunden arbeiten. Zweitens: Der monetäre Wert der unbezahlten Arbeit der Frauen in der Schweiz beträgt pro Jahr 248 Milliarden Franken. Das sind mehr als alle Ausgaben von Bund, allen Kantonen und allen Gemeinden zusammen. Und drittens arbeiten Frauen rund eine Milliarde Stunden jährlich unbezahlt allein für die Betreuung der Kinder – Putzen oder Kochen nicht mitgerechnet. Das sind fast doppelt so viele Stunden, wie im Baugewerbe gearbeitet werden.

Die Rechnung «in beiden Währungen», also in Geld und in Arbeitsstunden, ist ein wichtiges analytisches Instrument für eine feministische Ökonomie: Der grosse Unterschied zwischen Einkommen und Arbeitsbelastung bei Frauen zeigt, dass eine Gesamtrechnung inklusive unbezahlter Arbeit wichtig ist. Bisher wurde diese in der Wirtschaftstheorie als beliebig verfügbar angenommen, weil sie nichts kostete.