Diesseits von Gut und Böse: Der korrekte Bürger

Nr. 29 –

Was würden Sie tun, wenn Sie sich zwischen dem Wahlrecht und Ihrer Waschmaschine entscheiden müssten? Diese Frage lässt Juli Zeh im Roman «Leere Herzen» mittels Volksbefragung in einem Deutschland von 2025 ermitteln: «Siebenundsechzig Prozent wählten die Waschmaschine. Fünfzehn Prozent waren unentschieden.»

Dieses Szenario kam mir in den Sinn, als ich den Kommentar des Journalisten Michael Furger in der aktuellen «NZZ am Sonntag» las. Furger schreibt, er habe seit zehn Jahren nicht mehr an Abstimmungen und Wahlen teilgenommen. Trotz hohem Informationsstand werfe er die Abstimmungsunterlagen nicht in die Urne, sondern ins Altpapier. Sein Beruf sei für ihn nicht mit der Rolle des Stimmbürgers und Wählers vereinbar, als Journalist könne er «nicht gleichzeitig Vermittler und Akteur des Systems sein».

Dass berufliche Befangenheit aufgrund persönlicher Interessen in manchen Sparten nicht nur peinlich, sondern auch kriminell sein kann, versteht sich. Und natürlich ist es Herrn Furgers Privatsache, ob er sich am politischen Prozess beteiligt; nur im Kanton Schaffhausen gibts in der Schweiz Stimmzwang, und die sechs Franken, die dort die Abstinenz kostet, dürften ihn kaum belasten.

«Wer mit journalistischem Anspruch über Politik berichtet, sollte nicht Wähler sein. Politiker schon gar nicht», schreibt Furger. Letzterem stimme ich zu, unsägliche Beispiele im jetzigen Parlament belegen das.

Aber auch wenn Furger nicht abstimmt, muss er doch – informiert, wie er sich nennt – eine innere Haltung haben. Sollte ihm auch die fehlen, kann ich getrost auf seine journalistischen Äusserungen verzichten, kommt ihnen doch kaum mehr Bedeutung zu als den oben zitierten Waschmaschinen.