Pop: Ekstatisch arabisch

Nr. 38 –

Ein Titel wie ein Belagerungszustand: «Under Frustration». So nennt das KünstlerInnenkollektiv Arabstazy eine Compilation-Reihe, die einen Querschnitt durch aktuelle elektronische Musik aus dem arabischen Raum bietet. Die Musik setzt bei dem Grundgefühl an, das eine junge Generation aus Nordafrika, dem Nahen Osten und der zugehörigen Diaspora nach dem sogenannten Arabischen Frühling dominiert, in einer Phase der autoritären Backlashs, bestenfalls der Stagnation. Gegen diese Lähmung will «Under Frustration» ankämpfen.

Gemeinsamer Nenner ist das Gegenteil von Stillstand. Nicht feste Zuschreibungen hat das 2015 gegründete Kollektiv im Sinn, sondern Euphorie: Der Kollektivname sei vom Wort «ecstasy» inspiriert, erklärte Arabstazy-Gründer Shamseddine Omoku alias Mettani in einem Interview zur ersten Compilation. Der jetzt erscheinende zweite Teil der Trilogie ist genauso vielstimmig, nicht nur im übertragenen Sinn. So wird im Eröffnungsstück «Zeynab» von Saint Abdullah Chorgesang gleich mehrfach übereinandergelegt. Ja, hier wird auch auf Tradition gebaut, aber in hybriden, modularen Architekturen.

Der Produzent Okydoky verarbeitet in seinem Beitrag die eigene Biografie. Er ist als palästinensischer Flüchtling in Beirut aufgewachsen, seine Mutter stammt aus dem Irak, seine Grossmutter aus dem Libanon. Diese Genealogie erscheint im Rhythmus von «Mother’s Milk» so zähflüssig wie Magma, das sich über metallische Feedbackschleifen wälzt, aber schliesslich in hymnische Akkorde mündet.

Die in den USA lebende DJ Haram setzt schon im Künstlerinnennamen ihre Praxis als Bassmusikproduzentin in Opposition zu gesellschaftlichen Regeln. Haram ist im Islam das Verbotene. Und eine von aussen eingeforderte oder unterstellte «arabische Identität» ist genau das, was DJ Haram und Arabstazy mit subsonischem Basswummern durchlöchern. Von Frust getrieben, aber durchaus mit Lustgewinn.

Arabstazy: Under Frustration. Volume 2. Infiné. 2019