Schwarze Listen: Ein reines Folterinstrument

Nr. 38 –

Die Schweiz brüstet sich bei jeder Gelegenheit mit ihrer humanitären Tradition. Dabei ist längst offensichtlich, dass die (bürgerliche) Politik inzwischen nicht dem Primat der Menschlichkeit nachlebt, sofern sie es je getan hat. Das Primat der Ökonomie des Zählens und Messens durchdringt mittlerweile alle gesellschaftlichen Sphären. Es zielt in erster Linie auf die ökonomisch Schwächeren.

Besonders deutlich zeigt sich das jetzt im Kanton Thurgau. Die Regierung, unterstützt von der Parlamentsmehrheit, setzt selbst Kinder auf die schwarze Liste der säumigen PrämienzahlerInnen. Kinder, die ja nicht für sich selber sorgen können, also nichts dafür können, bekommen im sozialpolitisch rückständigen Mostkanton somit nur in Notfällen medizinische Behandlung. Was ein Notfall ist, definieren die medizinisch nicht sachkundige Politik beziehungsweise die aus Eigeninteresse auf Kosteneinsparungen hinarbeitenden Krankenkassen. Was dieses Instrument anrichtet, zeigt ein Fall aus dem Kanton Graubünden (der die schwarze Liste 2018 wieder abschaffte): Einem aidskranken Mann, der an einer Folgeerkrankung litt und mit den Prämienzahlungen im Rückstand war, wurde eine Behandlung verweigert. Er starb Ende 2017.

Dabei laufen die schwarzen Listen ökonomisch ins Leere. Sie verfehlen nicht nur ihre abschreckende Wirkung, sondern verursachen zusätzlich hohe Administrativkosten. Eine Reihe von Kantonen verabschiedet sich deshalb wieder von den schwarzen Listen. Wenn sie sich also gar nicht rechnen, dann verfolgen sie nur einen Zweck: den eines Folterinstruments.

Finanzschwache Haushalte unterlassen die Prämienzahlung nicht aus Jux und Tollerei. Angesichts der ständig steigenden Gesundheitskosten sind sie in aller Regel dazu schlicht nicht in der Lage. Die Eltern der Kinder pauschal als verantwortungslos hinzustellen, ist perfid, eine weitere Ausweitung der Kampfzone auf die Ärmeren. Immerhin ein kleiner Lichtblick im Kinderfeindesland Schweiz: Der Bundesrat hat festgehalten, dass der Kanton Thurgau gegen die von der Schweiz ratifizierte Uno-Kinderrechtskonvention verstösst. Jetzt muss nur noch jemand klagen.