Der Nachlass der Cogéma: Strahlenmüll im Dorfbach

Das französische Staatsunternehmen Cogéma hat seine Minen in Gabun stillgelegt. Das Land ist verseucht, die Bergleute sind krank – doch die Firma interessiert das nicht.

«Stachelschwein, Gazelle, Antilope» steht auf dem Menüplan der Kneipe im Dorfzentrum. Aber Gäste hat es keine. Im Ort herrscht Tristesse. Seit die Comuf ihren Betrieb eingestellt hat, gibt es keine Arbeit mehr. Abgesehen von der Holzschlagfirma, die manchmal ein paar Tagelöhner anheuert, aber am Rand des Konkurses steht. Wer konnte, hat die Stadt verlassen. Der Busterminal ist von Sträuchern überwuchert. Die wenigen Taxis, die noch nach Mounana fahren, halten auf der Schlaglochpiste vor der Markthalle, wo die Verkäuferinnen im Schatten auf Kundschaft warten.

Früher war Mounana von Bedeutung. Vierzig Jahre lang hat Frankreich hier nach Uran schürfen lassen. Uran aus Gabun steckt in französischen Atomwaffen, und Atomkraftwerke in Frankreich und halb Europa produzierten damit Strom. «Dank uns lief der TGV», sagt der ehemalige Minenarbeiter Christian Oyoumi halb im Ernst, «aber heute, wo die Vorkommen ausgebeutet sind, ist Mounana nur noch ein Flecken ohne Wert.»

Gabun war eine Kolonie Frankreichs, als 1956 die Prospektoren des französischen Atomenergiekommissariats in der abgelegenen Region im Südosten des Landes Uran entdeckten. Tief im Landesinnern, knapp südlich des Äquators, wechselt sich dichter Urwald mit savannenartigen Hügelzügen ab. Noch heute leben hier Elefanten und Gorillas. Die Franzosen gründeten in Mounana die Compagnie des Mines d’Uranium de Franceville (Comuf), benannt nach dem dreissig Kilometer entfernten Hauptort des Département Haute Ogooue.

1961 traf das erste gabunische Urankonzentrat in Frankreich ein. Daraus wurde damals der Bombenstoff gebrütet. Frankreichs Engagement machte Gabun zu einem der zehn grössten Uranproduzenten der Welt. Bis in die achtziger Jahre hatte sich das Urwalddorf Mounana in eine Kleinstadt mit rund 10 000 EinwohnerInnen verwandelt. 1500 von ihnen arbeiteten für die Comuf. Der Staat Gabun hielt mittlerweile eine Minderheitsbeteiligung am Unternehmen, und die federführende Abteilung des französischen Atomenergiekommissariats war in die Compagnie Générale des Matières Nucléaires (Cogéma) übergegangen.

Die Kaderleute der gabunischen Filiale wohnten in den Bungalows oben auf dem Hügel, die Minenarbeiter in den Betriebswohnungen unten bei der Grube. Die Comuf hat in Mounana Schulen, Kirchen und Sportplätze erstellt, ein Spital, ein Rathaus, eine Polizeistation, einen Busbahnhof und eine Markthalle. Alles «cadeaux», geschenkt. Der Spitalbesuch, Medikamente inklusive, war für sämtliche EinwohnerInnen kostenlos. «Man muss über die positiven Seiten der Comuf berichten», sagt Bernard Keiffer. Er ist seit vier Jahren Generaldirektor der Cogéma-Filiale. Zwanzig Jahre lebt der Franzose schon in Mounana. Seine letzte Aufgabe ist die Liquidation des Unternehmens.

Die meisten Mineure sind gestorben

Mounana hat seine herausragende Stellung für Frankreich verloren. Die Uranpreise waren in den neunziger Jahren ins Rutschen geraten. Und bei Cogémas kanadischen Minen wurden besonders reichhaltige Uranvorkommen entdeckt. Der Uranabbau im Urwald war für die Cogéma auch bei niedrigen Personalkosten nicht mehr lukrativ. 1999 stellte ihre Filiale in Gabun die Produktion ein.

Im Boden unter Mounana erstreckt sich ein Labyrinth von Stollen. Insgesamt mehr als dreissig Kilometer lang, führen sie bis zu 400 Meter unter die Erdoberfläche. Dort attackierten Mineure mit Sprengladungen und Bohrmaschinen den Fels. Tieflader karrten das Gestein zu gewaltigen Aufzügen.

«Von den Mineuren, die das Erz in die Lunge kriegten, sind die meisten schon gestorben», sagt Gilbert Ngana. Über zwanzig Jahre hat er in den Gruben gearbeitet, die längste Zeit ohne Atemschutz. «Die Staubmasken wurden zu spät eingeführt», meint Ngana. Er klagt über Atembeschwerden.

Nach dem Zweiten Weltkrieg begann unter den Grossmächten ein Wettlauf nach Uran, dem Bombenstoff. Weltweit sind in den Uranminen seither tausende Arbeiter an Lungenkrebs erkrankt. Die hohe Konzentration von Radongas (einem Zerfallsprodukt von Uran) in der Grubenluft war die Ursache. Das traurige Beispiel sind die Wismut-Minen in der ehemaligen DDR: Bis 1990 starben dort 7000 Arbeiter an Lungenkrebs, bei 5000 erkannten die Behörden die Krankheit als berufsbedingt an.

In Europa müssen Minenarbeiter über die Strahlendosis, die sie aufgenommen haben, aufgeklärt werden, so verlangt es die Euratom. In Mounana weiss keiner der Arbeiter über seine Dosis Bescheid. Die persönlichen Dosimeter der gabunischen Mineure wurden jeweils in Frankreich ausgewertet. «Nie hat einer unserer Angestellten mehr als die jährlich zulässige Strahlendosis aufgenommen», versichert Comuf-Generaldirektor Bernard Keiffer. «In Gabun gibt es keine Reglemente», räumt Keiffer ein. Aber man habe sich auf international gebräuchliche Richtwerte bezogen. Die weltweit strengste Dosislimite für Atomarbeiter gilt heute in den USA: fünf Millisievert pro Jahr. Die Kumpels in Gabun nahmen ein Mehrfaches auf. 1996 verfasste der Abgeordnete Claude Birraux von der konservativen französischen Partei UMP im Auftrag des Parlaments einen Rapport über die Minen von Mounana. Was den Strahlenschutz anbelange, sei die Comuf im internen Vergleich aller Cogéma-Filialen «auf dem vorletzten Platz», schreibt er darin (den letzten belegte Cogémas Filiale im Niger). «Die Arbeiter in Mounana sind einer durchschnittlichen Dosis von etwas unter dreissig Millisievert pro Jahr ausgesetzt», heisst es in Birraux’ Bericht zur Comuf. Die Internationale Strahlenschutzkommission ICRP hatte 1990 empfohlen, die maximale Strahlendosis für exponierte Arbeiter auf zwanzig Millisievert pro Jahr zu limitieren.

Teure Medizin

«Das Uran hat in Mounana niemanden krank gemacht», sagt Comuf-Generaldirektor Bernard Keiffer. Wer es nicht glaube, könne im Spital nachfragen. Das Spital war bis vor kurzem eine Abteilung des Bergbauunternehmens, die ÄrztInnen seine Angestellten. «In unserem Archiv ist kein einziger Fall einer Berufskrankheit deklariert, der in einem Zusammenhang mit dem Uranabbau stehen würde», sagt Angélique Kombila, die Chefärztin. Einen solchen Zusammenhang habe man wissenschaftlich nie beweisen können.

Keine einzige Berufskrankheit nach beinahe vierzig Jahren Uranabbau ist eine unglaublich gute Bilanz. Unabhängige Untersuchungen zur Gesundheit der Bergleute oder gar der EinwohnerInnen von Mounana gibt es nicht. Und die Dossiers der Minenarbeiter werden im Spital nicht mehr nachgeführt: Mit dem Betrieb der Minen hat die Comuf auch die Kontrolluntersuchungen für ihre Kumpels eingestellt. «Wir haben die Minenarbeiter aus den Augen verloren», sagt Chefärztin Kombila. Seitdem die Comuf das Spital vor vier Jahren dem Staat überschrieben hat, müssen die ehemaligen Mineure jede Konsultation selbst bezahlen. Einige können sich das nicht leisten (siehe weiter unten).

François Mindou hustet Blut. Seine Beschwerden hätten begonnen, als er in der Extraktionsfabrik arbeitete. Auf den Röntgenbildern seiner Lunge sehe man die Schatten. Aber eine medizinische Behandlung sei kostspielig und komme für ihn nicht in Frage. Mindou trägt einen zerschlissenen Overall mit dem Comuf-Signet auf dem Rücken. Er schlägt Brennholz im Wald. «Wer kein Geld hat, bleibt im Elend zurück», sagt er.

«Wenn sich unsere ehemaligen Angestellten den Arzt nicht mehr leisten können, ist das eine Folge der Misere in der staatlichen Gesundheitspolitik von Gabun», sagt Generaldirektor Bernard Keiffer, «und nicht die Schuld der Comuf.»

Benoît Bobata hatte den Grubenlift bedient. Jetzt muss ihn seine Tochter pflegen. Er sagt, er fühle sich ständig müde, er sei krank. Bobata ist wütend: «Unser Leben lang haben wir für die Comuf geschuftet, und nun lassen sie uns hier einfach verrecken.» Er zählt eine Reihe von Arbeitskollegen auf, die gestorben seien, und auch wenn die bei der Comuf und im Spital etwas anderes behaupten würden, für ihn sei es klar, woran: «Das Uran hat sie getötet, was denn sonst?»

Cogéma stehe für eine «weltweite Tradition sozialer Verantwortung». Das sind die Worte von Remi Autebert, Direktor der Abteilung Minengeschäfte bei Cogéma. «Unser Engagement beschränkt sich nicht nur auf die Zeit des Betriebs, sondern umfasst nach der Schliessung auch Massnahmen zur lokalen Entwicklung und Reindustrialisierung», sagte er an der Jahresversammlung der World Nuclear Association 2001 in London. Das geschehe auch in Gabun «unter fortwährendem Einbezug der lokalen Bevölkerung und ihrer Vertreter», so Autebert.

Abschiedsgeschenk in bar

«Wir werden von der Cogéma völlig im Stich gelassen», sagt Dieudonné Bokoko. Er ist «Monsieur le maire», der Bürgermeister. Zumindest nennen ihn in Mounana alle so. Eigentlich ist Bokoko gewählter Stellvertreter, doch der Amtsinhaber wohnt schon lange in der Hauptstadt Libreville, 700 Kilometer weit weg. «Auch die neuen Jobs, die man uns für die 'Zeit nach Comuf' versprochen hat, gibt es nicht», sagt Bokoko.

Der Bürgermeister hatte nach der Schliessung der Minen einen Protestmarsch zur Direktion der Comuf angeführt. Der Büropavillon von Generaldirektor Keiffer war schliesslich von DemonstrantInnen umstellt. Die Emotionen gingen hoch. Drinnen empfand Keiffer, ein Mann, der am Wochenende in der Savanne wilden Büffeln nachstellt, seine Lage als bedrohlich. Er forderte Polizeischutz an. Die konfrontative Situation löste sich dann doch noch. Aber der Generaldirektor und der Bürgermeister begegnen sich seit dieser Episode mit noch mehr Distanz.

«Den letzten Arbeitern haben wir eine Abfindung von neun Monatslöhnen ausbezahlt», verteidigt Bernard Keiffer die Cogéma-Filiale. Zudem habe die Comuf der gabunischen Regierung 150 000 Euro überwiesen – als einmalige Gabe für die Menschen in Mounana. Gabuns Präsident Omar Bongo persönlich habe noch 30 000 Euro dazugelegt, erzählt Keiffer, «in bar».

Die 180 000 Euro wurden schliesslich dem regionalen Präfekten übergeben, der sie in Mounana verteilte. «Es war absolut chaotisch», erzählt Bürgermeister Bokoko (der damals noch nicht im Amt war), «die einen kriegten viel, die andern nichts. Die Leute prügelten sich deswegen auf der Strasse.» Der Präfekt sei kurz darauf abgetaucht und habe sich erst einen Monat später wieder gemeldet. Das Geld ist weg.

Messwerte unter Verschluss

Die Comuf hat in Mounana je ein Dutzend Messstationen eingerichtet, mit denen sie die Strahlenbelastung von Luft und Wasser bestimmt. Die Resultate sind nicht öffentlich. Das habe der Verwaltungsrat der Comuf so beschlossen, sagt Generaldirektor Keiffer, «weil wir Polemik und eine tendenziöse Auswertung des Zahlenmaterials befürchten». Der Direktor der Abteilung Minengeschäfte bei Cogéma, Remi Autebert, behauptete in seinem Londoner Vortrag von 2001 hingegen, in Gabun würden die Resultate der Radioaktivitätsmessungen «lokalen Abgeordneten präsentiert und mit ihnen besprochen».

«Wir werden von der Comuf nicht informiert. Wir erfahren nichts von ihren Zahlen und Berechnungen», sagt Bürgermeister Dieudonné Bokoko. Etwa 4000 Menschen leben noch in Mounana. Es heisse einfach, für sie bestehe keinerlei Gefahr. Bokoko ist misstrauisch. «Comuf ist gleichzeitig Partei und Richter», sagt er. Der Bürgermeister hatte früher selbst als Strahlenschutzkontrolleur bei der Comuf gearbeitet.

Die Strahlenbelastung durch den Uranbergbau ist ein abstraktes Thema. Bei der Markthalle von Mounana wird es anschaulicher. Das Gebäude hat einen doppelten Boden. Der Beton, den die Comuf ursprünglich angeliefert hatte, war mit Sand aus der Uranproduktion vermengt. Das Material strahlte übermässig, wie ein Strahlenkontrolleur aufdeckte. Die Comuf liess darauf einen zweiten, zehn Zentimeter dicken Betonboden giessen. Das sollte die Strahlung abschirmen, sagt Bürgermeister Dieudonné Bokoko. Aber er ist von der Wirksamkeit der Sanierung nicht überzeugt: «Der Boden ist zwar abgedeckt, aber die Wände nicht.» Messresultate sind den lokalen Behörden nie vorgelegt worden.

Über den gängigen Limiten

Bei der Urangewinnung fallen enorme Mengen schwach radioaktiver Abfälle an. Allein in Mounana waren es gegen sieben Millionen Tonnen. Diese Produktionsabfälle, «Tailings» genannt, sind das grösste Problem beim Uranabbau. Die Cogéma-Filiale in Mounana hat diesen Abfall jahrelang in den Dorfbach Ngamaboungou geleitet.

Dieser Bach hat die radioaktiven Schlämme kilometerweit von der Fabrik weggeschwemmt, bis zur Einmündung in den Fluss Mitembe. «Radiologisch und chemisch gesehen war das Wasser im Ngamaboungou über den gängigen Limiten», räumt Comuf-Direktor Bernard Keiffer ein, ohne genaue Zahlen zu nennen. Die gabunischen Behörden seien informiert und einverstanden gewesen.

Mehr als zwei Millionen Tonnen Tailings hat die Comuf in das Tal des Nga-maboungou gespült. Mit weiteren vier Millionen Tonnen Tailings füllte sie die erste stillgelegte Tagebaugrube auf. Dort wurden die Abfälle lange unter offenem Himmel belassen, das Gelände sperrte man nicht ab. «Wenn es trocken war, spielten die Kinder im Staub der Tailings Fussball», sagt der ehemalige Mineur Christian Oyoumi. Keiner habe gewusst, dass das gefährlich ist.

An einer Fachtagung der Internationalen Atomenergieagentur im Oktober 2000 in Wien hat die Comuf eine kurze Studie zur Situation in Gabun vorgestellt (Aktenzeichen IAEA-SM 362/49). Es ist die einzige öffentlich zugängliche Quelle von Umweltdaten zu Mounana. Besonders exponiert sind gemäss der Studie Menschen, die nahe am Betriebsgelände wohnen und auf ihrem Weg zu den Pflanzungen täglich die Abraumhalden durchqueren müssen. Laut den Berechnungen der Comuf hat diese Bevölkerungsgruppe jährlich Dosen zwischen 2,3 und 2,9 Millisievert über die natürliche Strahlung hinaus aufgenommen. Der internationale Richtwert für Menschen, die nicht beruflich Strahlung ausgesetzt sind, ist auf 1 Millisievert pro Jahr festgesetzt. In der kanadischen Cogéma-Uranmine in McClean lag die durchschnittliche Dosis zuletzt bei 1,5 Millisievert – bei den Arbeitern.

1997 hat die Comuf in Mounana begonnen, mehrere kontaminierte Zonen mit einer Schicht Erde abzudecken. Deshalb geht die Studie davon aus, dass die jährliche Dosis mittelfristig auf 0,8 Millisievert zurückgehen wird.

International ist es üblich, Tailings in abgeschlossene Wasserbecken einzuleiten. Das Wasser schirmt die Strahlung ab und verhindert den Austritt von Radongas. Bevor überlaufendes Wasser abgeleitet werden kann, muss es gereinigt werden. 1990 rang sich die Cogéma dazu durch, auch in Gabun eine Art Rückhaltebecken zu errichten: Die Comuf liess den Ngamaboungou mit einem Damm stauen. Die Tailings wurden in den künstlichen See gepumpt. Der Bach floss aber weiterhin durch die Deponie. Bis heute ergiesst sich der Überlauf des Beckens ungeklärt in Richtung des Flusses Mitembe.

Das ist problematisch, weil in Mounana die Tailings mit sauren Fabrikabwässern vermengt wurden. Säure beschleunigt die Lösung von Radionukliden in die Umwelt. Weltweit werden deshalb die Fabrikabwässer mit Kalk neutralisiert. Die Cogéma-Gesellschaften in Frankreich, Australien und Kanada verfahren alle nach dieser Methode. Auch in Gabun hatte die Cogéma eine entsprechende Neutralisierungsanlage errichtet – doch nie in Betrieb genommen. «In Gabun gibt es keinen Kalk», sagt Bernard Keiffer. «Wir hätten ihn importieren müssen. Die Kosten dafür wären derart hoch gewesen, dass sie zur Stilllegung der Fabrik geführt hätten.» Der pH-Wert im Bach Ngamaboungou sackte ab. Die Schwefelsäure, die diesen Effekt auslöste, fabrizierte die Comuf in einer eigenen Fabrik. Täglich stellte sie sechzig Tonnen Schwefelsäure her. Aus importiertem Schwefel.

«Als die Comuf noch produzierte, war der Mitembe öfter voll von toten Fischen», erzählt Philippe Ossasango. Er ist der Chef des Quartiers Massango, einer Siedlung von einfach gezimmerten Holzhäusern mit Wellblechdächern. Sie liegt am Fluss Mitembe, einige Kilometer unterhalb des Stausees. «Das Wasser aus dem Mitembe trinken wir nicht», sagt Ossasango, «und auch die Fische aus dem Fluss sollte man eigentlich nicht essen.» Aber die Menschen hier hätten keine Wahl, sie seien arm. Unten an der Flussbiegung baden Kinder und fahren mit der Piroge zum Fischen. In einem Fluss, dessen Schadstoffgehalt mit dem eines Indus-trieabwassers vergleichbar ist.

In der erwähnten Comuf-Studie heisst es, die Nahrungsmittel aus der Region würden keine erhöhten Strahlenwerte aufweisen. Als Beleg führt die Firma nicht näher quantifizierte Analysen von Fisch an. Allerdings stammte dieser Fisch nicht aus dem Ngamaboungou oder dem Mitembe, sondern aus dem Lekedi, dem nächstgrösseren Fluss stromabwärts.

EU-Gelder für Sanierung

In Mounana sind gegenwärtig Sanierungsarbeiten im Gang. Die Schwefelsäure- und die «Yellow Cake»-Fabrik sind abgerissen, der imposante Förderturm geschleift. Die Minen sind geflutet. In der Grube «Oklo» hat sich ein hellgrüner Grundwassersee gebildet. Darin wurden die kontaminierten Produktionsanlagen versenkt. Offiziell sollten die Arbeiten in Mounana Anfang 2005 abgeschlossen sein. Die Stauseedeponie belässt man.

Für die Sanierungsarbeiten kommen die SteuerzahlerInnen der Europäischen Union auf. Die EU hat Gabun seit 1997 insgesamt 35 Millionen Euro für die Entwicklung seiner Minenindustrie bezahlt. Gabun ist reich an Bodenschätzen. Gegenwärtig wird aber neben der Rohölförderung lediglich Mangan industriell abgebaut. Künftig sollen auch die Vorkommen an Diamanten, Gold und Niobium ausgebeutet werden. Das Bergbauministerium hat für die Sanierung der Uranmine sieben Millionen Euro von den EU-Hilfsgeldern abgezweigt. Der Bergbauminister von Gabun, Richard Onouviet, ist ein ehemaliger Direktor der Comuf.

Eine Baufirma hat einen grossen Teil der Abraumhalden am Ngamaboungou mit Erde überdeckt. Mindestens hundert Jahre sollte eine solche Abdeckung gemäss IAEA effektiv sein. Die Abfälle werden aber noch mehrere tausend Jahre strahlen. «Mit den starken Niederschlägen, die wir haben, wird das Material schon in fünf oder zehn Jahren wieder an die Oberfläche geraten», befürchtet Bürgermeister Dieudonné Bokoko. «Von den Franzosen wird dann keiner mehr hier sein.»

Ein Kilo Uran – 249 Kilo radioaktiver Abfall

In der Extraktionsfabrik von Mounana zerrieben riesige Mahlwerke das uranhaltige Gestein zu feinkörnigem Sand. Mit konzentrierter Schwefelsäure wurde danach das Uran aus dem Sand gelöst. Das Gemisch verarbeitete die Fabrik zu «Yellow Cake», einem giftgelben Pulver, das zu 75 Prozent aus Uran bestand. In Fässern exportierte die Comuf den «Yellow Cake» nach Frankreich, wo die Cogéma es weiter anreicherte, damit man es in Atomreaktoren einsetzen konnte.

Der französische Staatskonzern Cogéma ist weltweit führend bei der Herstellung von atomarem Brennstoff. In Mounana hat er total 28000 Tonnen Uran hergestellt (zum Vergleich: Der Jahresbedarf der Schweizer AKW beläuft sich gemäss IAEA auf rund 370 Tonnen Uran). Dazu mussten die Minenarbeiter sieben Millionen Tonnen uranhaltiges Gestein ans Tageslicht fördern. Bei einem durchschnittlichen Urangehalt von 3,8 Kilogramm pro Tonne Gestein blieben 99,6 Prozent des Ausgangsmaterials als Abraum zurück. Im Fachenglisch heissen diese Abfälle Tailings. Sie enthalten nur noch wenig Uran, dafür aber sämtliche seiner langlebigen Zerfallsprodukte wie Radium oder Thorium (80000 Jahre Halbwertszeit).

Die Tailings enthalten immer noch 85 Prozent des abgebauten Gesteins. Die Strahlung ist aber nicht mehr kompakt im Erdinnern geborgen, sondern in einen mobilen Zustand versetzt.

Die Gammastrahlung der Tailings beträgt bis zum Hundertfachen der natürlichen Strahlung an der Oberfläche von Uranvorkommen. Die Tailings gasen zudem kontinuierlich radioaktives Radon aus.Diesen Abraum leitete die Cogéma in den Dorfbach ein. Er verseuchte auch den Fluss Mitembe. In einer Studie, die die Comuf vor vier Jahren der IAEA vorlegte, finden sich Resultate von Wasserproben aus diesem Fluss: 1996/97 lagen die Werte für lösliches Radium-226 zwischen 1,2 und 3,2 Becquerel (Bq) pro Liter Flusswasser. Der international gebräuchliche Grenzwert für Industrieabwässer liegt bei 0,37 Bq. Einmal eingenommen, lagert sich Radium in den Knochen ab und kann zu Leukämie führen.

Die Comuf-Studie zeigt auch, dass der Mitembe bis zu 1,7 Milligramm lösliches Uran-238 pro Liter mit sich führte. 0,009 Milligramm pro Liter ist der von der Weltgesundheitsorganisation WHO empfohlene Richtwert für Uran im Trinkwasser. Uran hat als Schwermetall eine chemisch-toxische Wirkung. Zudem ist Uran auch radiotoxisch, seine Strahlung vermag Zellveränderungen auszulösen.

Nachdem die Minen 1999 den Betrieb eingestellt haben, sind die Werte für lösliches Radium-226 im Mitembe auf unter 0,7 Bq gesunken. Beim Uran-238 lagen sie im Juni 2000 unter 0,1 Milligramm, wie die Comuf schreibt. Weil sich die Tailings über Jahre im Flussbett ablagerten, werden sich aus den Sedimenten noch lange Schadstoffe herauslösen, die ins Wasser übergehen.

Benoît Yanganga: Im Stich gelassen

Die Familie Yanganga mit ihren sieben Kindern lebt in der ehemaligen Arbeitersiedlung «Cité de Rénovation», in einem der vielen einstöckigen Reihenhäuser. Jahrelang hatte der Vater in den Stollen geschuftet. Für knapp 130 Euro Monatslohn. Geblieben ist Benoît Yanganga ein stechender Husten. 45 Jahre alt ist er, und wenn er sich anstrengt, bleibt ihm die Luft weg. Seine Beschwerden hatten 1989 begonnen. «Das Radon im Erz hat meine Lungen geschädigt», sagt Yanganga. Zuerst wurde er im betriebseigenen Spital behandelt, dann in der Lungenklinik in der Hauptstadt Libreville. «Der Gesundheitszustand von Yanganga Benoît lässt nur noch eine Arbeit ausserhalb der Mine zu», lautete das Arztzeugnis, mit dem er sich 1992 wieder bei der Comuf meldete. Einige Zeit arbeitete er danach an der Betriebstankstelle, dann versprach ihm die Comuf eine Abgangsentschädigung und entliess ihn. Nachfolgeuntersuchungen, wie sie in Europa für Atomarbeiter selbstverständlich sind, gibt es in Gabun nicht. Seit der Betriebsschliessung müssen die Mineure jeden Arztbesuch selbst bezahlen. «Die Therapie, die mir der Lungenarzt in Libreville verschrieben hat, kann ich mir nicht mehr leisten», sagt Yanganga. Behandlungen und Medikamente seien zu teuer für ihn. «Die Comuf hat uns einfach im Stich gelassen», konstatiert Yanganga. Zusammen mit seiner Ehefrau bestellt er am Fluss Mitembe ein kleines Feld. Sie pflanzen Maniok an. Und Benoît Yanganga geht auf Jagd. «Wenn ich ein Tier töte, kann ich Fleisch verkaufen und damit Öl oder Seife anschaffen. So schaffen wir es, zu überleben.»

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