Klimarappen: Rückwärtssalto der Öllobby

Um die CO2-Abgabe zu verhindern, bringt die Erdölvereinigung einen Vorschlag, den sie vor vier Jahren noch bekämpfte.

CO2-Abgabe oder Klimarappen? Oder Klimarappen und CO2-Abgabe? Das sind die umweltpolitischen Fragen, die Bundesrat und Parlament demnächst beantworten müssen. Die finanziellen Differenzen – maximal 49 Rappen pro Liter Benzin – sind ebenso gross wie die politischen Widersprüche, in die sich insbesondere die Erdöllobby bei diesem Thema verstrickt. Worum geht es?

Marktkonforme Lenkungsabgabe

Bei der CO2-Abgabe handelt es sich um eine Lenkungsabgabe, die der reinen Lehre der Marktwirtschaft entspricht: Der Bund verteuert die fossilen Energieträger, aus denen bei der Verbrennung das klimaverändernde Kohlendioxid (CO2) entweicht, mit maximal 5 Rappen pro Kilowattstunde (kWh) oder 50 Rappen pro Liter Treibstoff. Der Ertrag von maximal drei Milliarden Franken pro Jahr wird pro Kopf und pro Arbeitsplatz an die Bevölkerung und Wirtschaft zurückerstattet. Damit belastet die Abgabe weder die Volkswirtschaft als Ganzes, noch erhöht sie die Staatsquote. Die Abgabe beeinflusst nur das Verhalten: Wer das Klima mit überdurchschnittlich viel fossilem Energieverbrauch anheizt, wird unter dem Strich finanziell bestraft und erhält damit einen Anreiz, den Verbrauch zu senken.

Das gleiche Ziel wie die CO2-Abgabe verfolgte das Parlament 1999 mit seiner «Grundnorm» für eine Energielenkungsabgabe. Diese hätte nicht nur fossile, sondern alle nicht erneuerbaren Energieträger mit maximal 2 Rappen pro kWh oder 20 Rappen pro Liter Benzin belastet. Die Erdölvereinigung (EV) beschloss damals die Ja-Parole für diese marktkonforme Abgabe. «Eine bessere Verfassungsgrundlage für eine ökologische Steuerreform kann unter den gegebenen politischen Umständen kaum erreicht werden», begründete EV-Geschäftsführer Rolf Hartl im Dezember 1999. Dabei lobte er insbesondere «die Staatsquotenneutralität, weil der Ertrag der Energieabgabe an die Wirtschaft und die Privaten zurückfliesst». Die übrigen Wirtschaftsverbände aber bekämpften im Verbund mit FDP und SVP dieses marktwirtschaftliche Instrument. Mit Erfolg: Im Herbst 2000 lehnte das Volk die Energieabgabe ab.

Oder marktwidrige Förderabgabe

Zwei Jahre später lancierte die Erdölvereinigung das Modell des Klimarappens mit dem Ziel, die im CO2-Gesetz vorgeschriebene CO2-Lenkungsabgabe zu verhindern. Beim Klimarappen handelt es sich um eine Förderabgabe. Diese belastet den Treibstoff nur mit einem (oder maximal 1,99) Rappen – also zu wenig stark, um das Verhalten der TreibstoffverbraucherInnen umzulenken. Seine Wirkung entfaltet der Klimarappen erst durch die Art, wie der Ertrag verwendet wird. So will die Öllobby die Einnahmen von jährlich fünfzig bis hundert Millionen Franken einsetzen, um Massnahmen zur Reduktion des CO2-Ausstosses im In- und Ausland zu fördern, also zu subventionieren. Diese Subventionierung widerspricht aber der Marktlehre.

Das Modell des Klimarappens ist nicht neu: Es entspricht der Förderabgabe von 0,3 Rappen/kWh oder 3 Rappen pro Liter Benzin, die das Parlament 1999 als Ergänzung zur Lenkungsabgabe beschlossen hatte, und die das Volk im Herbst 2000 ebenfalls ablehnte.

Bemerkenswert ist: Auch die Erdölvereinigung war damals dagegen. Der gleiche Rolf Hartl, der heute für den Klimaförderrappen lobbyiert, schrieb damals zur Energieförderabgabe: «Das süsse Gift der Subventionen wird zu Fehlallokationen führen, einigen wenigen eine komfortable Hängematte bescheren und den staatlichen Umverteilungsapparat in Bewegung setzen.»

Der Grund für den argumentativen Salto rückwärts: Wirtschaftliche Interessen haben im Konfliktfall stets Vorrang vor der reinen Wirtschaftslehre. So profitiert die Schweizer Ölwirtschaft heute gegenüber den Nachbarstaaten von einer tiefen Besteuerung des Treibstoffes. Diese Wettbewerbsverzerrung erlaubt ihr, viel Benzin mittels Tanktourismus zu exportieren. Auf diesen unverdienten Sonderprofit wollen weder Benzinverkäufer noch der Schweizer Finanzminister verzichten.

Weil Profit mehr zählt als Prinzipien und Gesetz, wird die bürgerliche Mehrheit im Bundesrat und Parlament den rechtlich umstrittenen Klimarappen bevorzugen und zumindest im Bereich Treibstoff auf die gesetzeskonforme CO2-Abgabe verzichten. Ihr Hauptargument: Der CO2-Ausstoss lässt sich im Ausland mit weniger Geld reduzieren als im Inland. Das stimmt. Es stimmt aber auch, dass es billiger ist, einen Menschen in der Dritten Welt vor dem Hungertod zu bewahren, als einen Menschen in der Schweiz mittels Herztransplantation am Leben zu erhalten. Trotzdem kommt es keinem Bundesrat in den Sinn, in der Schweiz die Spitzenmedizin abzuschaffen und das dabei gesparte Geld zur Hungerbekämpfung nach Afrika zu schicken. ·