Der Doppelmord von Wohlen AG. Teil 3. Der Prozess: Ein Clown am Ende seiner Kräfte

Nr. 29 –

Seit letztem Montag findet vor dem Bezirksgericht Bremgarten der Prozess über den Doppelmord von Wohlen statt. Die Staatsanwaltschaft fordert für Riccardo Sbardella lebenslängliches Zuchthaus wegen mehrfachen Mordes. Dessen Bruder Giorgio soll wegen Gehilfenschaft zu 14, Romano Breitschmid zu 16 Jahren Zuchthaus verurteilt werden.

Das Gerichtsverfahren wurde vom Gerichtspräsidenten Hansjörg Geissmann und seinen BeisitzerInnen bis anhin vergleichsweise fair geleitet. Abgesehen von einigen Seitenhieben bezüglich Romano Breitschmids homosexuellen Neigungen und Anspielungen auf Breitschmids Charakter und Lebenswandel, die mit der wohlanständig-bürgerlichen Aargauer Welt nicht vereinbar scheinen, geht das Gericht vorurteilslos an das Verfahren heran.

Romano Breitschmids Verteidiger, Christoph Häberli, wird kaum mehr auf unschuldig plädieren können, nachdem Breitschmid während der Einvernahme eine weitgehende Mitbeteiligung an der Planung der Tat in einer ersten Phase eingestand. Es ist vielmehr davon auszugehen, dass Häberli versuchen wird, Breitschmids Strafmass mit dem Hinweis auf dessen verminderte Zurechnungsfähigkeit zu verringern. Auch verschiedene Nachfragen des Gerichts deuten in diese Richtung. Breitschmid war zur erwähnten Zeit alkoholabhängig. Zudem bescheinigt ihm ein Gutachten der Psychiatrischen Klinik Königsfelden eine «narzisstische Persönlichkeitsstörung», die bei ihm zu einem absoluten Beziehungsanspruch geführt habe: Breitschmid wolle alles oder nichts, führte Gutachter Josef Sachs vor Gericht aus.

Seit seiner Verhaftung leidet Romano Breitschmid an schweren Depressionen, ausserdem leidet er an Aids im fortgeschrittenen Stadium. Angesichts des offenkundig angeschlagenen Gesundheitszustands von Breitschmid vermochten Sachs’ Äusserungen zur Hafterstehungsfähigkeit einigermassen zu erstaunen: Die Hafterstehung sei nicht in Frage gestellt, weil Breitschmid die Haft bisher überstanden habe. Mit einer derartigen Argumentation wäre fehlende Hafterstehungsfähigkeit erst durch Selbstmord oder Tod erwiesen. Der Psychiater räumte immerhin ein, dass Suizidgefährdung bei Breitschmid nicht ausgeschlossen werden könne. Breitschmid selbst betonte, dass er nach einer Verurteilung am Ende seiner Kräfte sein könnte. Während seiner Einvernahme erweckte Breitschmid den Eindruck, er sei bereits am Rande seiner physischen und psychischen Reserven angelangt.

Die Einvernahme der Brüder Sbardella und ihrer Familie zeigte die wenig spektakuläre Geschichte eines sozialen Abstiegs: Nichts von den Gerüchten über Mafiaverbindungen, Waffenhandel und Prostitution, die sich um die Familien ranken, sondern das Bild zweier Familien in Existenznöten, entwurzelte, alternde ArtistInnen ohne soziales Netz, die versuchten, sich mit verschiedensten Tätigkeiten über Wasser zu halten. Der Verteidiger Riccardo Sbardellas betonte die Familienzwistigkeiten und baute eine Verschwörungstheorie auf, wonach sein Klient nur aufgrund von Animositäten und Rachegefühlen von seinem Bruder belastet werde.

Das Urteil im Bremgartner Prozess wird für nächsten Montag erwartet.

Lesen Sie den letzten Teil der Serie «Der Doppelmord von Wohlen»: Ein Clown und vier Wahrheiten.