Nach dem Bundesrats-Coup: Von links nach oben

Nr. 51 –

Wer ist nun in der Opposition? Weiterhin die Linke. Aber neu mit Mut und Zuversicht.

Jetzt reden sie also von der Opposition. Und, vermutlich weil es sich reimt, auch von der Obstruktion. Es ist fast schon eine stehende Wendung, dass sie gegen dieses und jenes Gesetz das Referendum ergreifen. Doch es beschleicht einen der Verdacht: Weder Multimilliardär Christoph Blocher noch UBS-Verwaltungsrat Peter Spuhler noch der staatlich subventionierte Medizinhistoriker Christoph Mörgeli noch der gleichfalls subventionierte Bauernjunge Toni Brunner haben eine Ahnung von Opposition. Die Blocherclique politisierte nie gegen die Machtverhältnisse. Oben und unten in dieser Gesellschaft blieben, wo sie sind. Genauso wie ihre publizistischen Steigbügelhalter nie gegen den Mainstream schrieben. Sie radikalisierten einzig die bestehende Ordnung.

Der König ist tot

Der 12. Dezember sollte zum Nationalfeiertag werden, schreibt ein WOZ-Leser. Tatsächlich haben sich an diesem Mittwoch jene Kräfte erneuert, die 1848 die moderne Schweiz gründeten. Nach der damaligen Verfassung sind alle Bürger gleich (und mehr als ein Jahrhundert später wurden es auch alle Bürgerinnen). Dieses politische System ist eben gerade egalitär und nicht elitär konzipiert. Sicher war es ein strategischer Coup von Mitte-links, der Blocher stürzte. Vor allem aber verträgt es der alte Drache Demokratie nicht, wenn einer seine Politik auf der Verachtung der anderen baut. Und dazu erst noch die Mittel zum Schutz der Minderheiten, beispielsweise die Volksinitiative, verwendet. In den Leserbriefspalten, auf den Strassen, in den Bars herrscht seit letztem Mittwoch ein Gefühl der Befreiung, von dem wir uns noch lange erzählen werden: Der König ist tot! Der König ist tot!

(Hier könnten sich die Freisinnigen überlegen, warum die Katholiken heute die besseren Liberalen sind.)

Doch die Gleichheit, und hier beginnt das linke Denken, kann nicht nur formal die gleichen demokratischen Rechte für alle meinen. Sie muss auch materiell auf eine gerechte Verteilung des Wohlstands zielen. Die SVP hat den Wahlkampf nicht mit ihrem neokonservativen Programm gewonnen. Sondern mit Fremdenfeindlichkeit und Blocherglorifizierung. Die SVP steht für Protest, obwohl sie die Ursachen der Ungerechtigkeiten verstärkt. Umgekehrt ist es der Linken nicht gelungen, die entscheidende Frage von oben und unten, von sozialem Fortschritt zu stellen. Die Hauptsorge der SchweizerInnen, ebendiese Woche publiziert: nicht die AusländerInnen, sondern die Arbeitslosigkeit. Es wäre also möglich, die Unzufriedenheit hin zu einer offensiven linken Politik zu wenden. Sofern sie so mutig und zuversichtlich daherkommt wie die Blocherabwahl.

Weiter, weiter

«Heute ist ein wunderbarer Tag. Es hat sich ein Fenster zur Erneuerung aufgetan», sagte die SP-Fraktionschefin Ursula Wyss am Wahltag. Danke ihr, danke den Demokraten Alain Bersat, Christophe Darbellay, Andrea Hämmerle, Jo Lang, Ueli Leuenberger, Christian Levrat und Luc Recordon für die Taktik zur Abwahl - und weiter mit den sozialen Fragen:

≥ Auf Bundesebene wird am 24. Februar die Unternehmenssteuerreform II zur Abstimmung kommen. Grossaktionäre sollen ihre Dividende nur noch mit sechzig Prozent besteuern. Löhne und Renten hingegen müssen voll versteuert werden. Nein dazu.

≥ Weiter mit der Flexibilisierung des Rentenalters. Die Gewerkschaften haben dazu die Initiative «AHV ab 62!» eingereicht. Sie wird im Rahmen der 11. AHV-Revision behandelt. Bei der letzten, ähnlichen Vorlage der Grünen waren bereits 46 Prozent der Stimmberechtigten für die Frühpensionierung.

Und weiter mit der ökologischen Frage:

≥ Im Januar stellt der Bundesrat sein Aktionsprogramm zum Klimaschutz vor. Nur eine konsequente Förderung der erneuerbaren Energie wird ein nächstes AKW verhindern. Ansonsten: Druck machen.

Und nicht nur auf Bundesebene geht es weiter. In den Kantonen St. Gallen, Thurgau und Schwyz stehen im Frühling die nächsten Kantonsratswahlen an.

Und weiter auch in den links-grünen Hochburgen, wo endlich eine Politik fernab dem Standortstreit der Tourist Cities entwickelt werden soll. Sie könnte sich um Miet-, Bau- und Kulturpolitik drehen. Darum, wie ein urbaner Lebensstil mit sozialen Anliegen statt mit Sicherheit und Sauberkeit verbunden wird. Nach der Massenverhaftung im Zusammenhang mit der Euroauslosung gingen in Luzern letzten Samstag tausend Leute auf die Strasse. Die Juso Zürich hat zu einer neuen Stadtpolitik letzte Woche ein Paper vorgelegt. Titel: «Züri fürs Volk!»

Blocher ist weg! Was für ein Fest! Und weiter den Moment nutzen: Bei der Verteilung des Wohlstands gibt es nur eine Opposition. Sie kommt von links und zielt nach oben. ◊