Späte Rehabilitierung: «Wir wussten, es geht jetzt auf Leben und Tod»

Nr. 11 –

Am 12. März hebt der Ständerat die Militärurteile gegen die Schweizer SpanienkämpferInnen auf. Siebzig Jahre nach dem Ende des Spanischen Bürgerkriegs werden sie endlich rehabilitiert. Der Blick auf eine vielfältige antifaschistische Bewegung wird frei.


Auf der Suche nach Arbeit war Ruedi Kohler, 1914 in Bümpliz geboren, bis nach Málaga gewandert. Dort überraschte ihn 1936 der Ausbruch des Bürgerkriegs. Er schloss sich den bewaffneten Volksmilizen an. «Wir wussten, es geht jetzt auf Leben und Tod», notierte er in einem Bericht. Ruedi sah zum ersten Mal in seinem Leben Leichen, und er erlebte Bombenangriffe aus der Luft, die schrecklichen Vorboten des Zweiten Weltkriegs.

Auch Clara Thalmann war schon in Spanien, als es dort losging. In Barcelona hätte der Startschuss zur Arbeiterolympiade fallen sollen, einer Gegenveranstaltung zu den von Hitler inszenierten Olympischen Spielen in Berlin. Stattdessen fielen die Schüsse der revoltierenden Militärs. Die rebellische Clara war Mitglied des Arbeiterschwimmclubs, eine entschiedene Antifaschistin. 1908 in Basel geboren und dort aufgewachsen, flog sie schon bald aus der Kommunistischen Partei. In Barcelona schloss sie sich der Kolonne des Anarchistenführers Buenaventura Durruti an und zog an die Aragón-Front, begeistert von der sozialen Revolution, die den landlosen Bauern und Bäuerinnen Freiheit bringen sollte. Sie war die einzige Schweizerin und eine der wenigen Nichtspanierinnen, die mit dem Gewehr in der Hand den Franco-Truppen entgegentraten.

Pluralistische Bewegung

Kohler und Thalmann sind zwei von 780 SpanienkämpferInnen aus der Schweiz. Die neueste Forschung zeigt, dass diese AntifaschistInnen eine heterogene Bewegung waren und keineswegs nur kommunistische Kolonnen, wie dies ein überkommenes Geschichtsbild behauptet: eine proletarisch geprägte, pluralistische Bewegung, die auch die Zerklüftung im linken Lager von Anarchisten bis zu rechten Sozialistinnen widerspiegelte. Das Spektrum reichte bis in die bürgerliche Mitte, ein Freiwilliger war sogar Mitglied bei der FDP. Allen war eine mehr oder weniger ausgeprägte antifaschistische Einstellung gemeinsam - und eine persönliche Tragik: Die meisten mussten sich nach der Rückkehr ihren Lebensweg durch politische Enttäuschungen, Kriegstraumata, Gefängnis und soziale Diskriminierung hindurch freikämpfen. Der schweizerische Antifaschismus wurde von vielen getragen, «deren Problemhorizont die Schweizer Grenze überschritt und die ‹fern im Süd› auch etwas für eine demokratische Schweiz tun wollten», wie der Historiker Jakob Tanner sagt.

Die Forschung zu den Spanienfreiwilligen hat einige Funde ans Licht gebracht. Es wurden viele Freiwillige, von denen bisher noch niemand wusste, herausgefunden (die vollständige Namensliste ist auf www.spanienfreiwillige.ch zu finden). Weiter kamen unbekannte Fotos des Zürcher Künstlers Heinrich Eichmann, der ebenfalls bei Durruti war, zum Vorschein sowie viele Aufnahmen aus vergessenen Nachlässen, die eine Ausstellung füllen würden. Einige davon zeigt die WOZ hier exklusiv.

Die Angst der Machteliten

Der 17-jährige Willy Wyss, in Chur in ärmlichen Verhältnissen aufgewachsen, wollte ebenfalls nach Spanien. Im Mai 1937 blitzte er beim Hilfskomitee in Paris ab - zu jung. Doch als er betonte, er habe drei Jungschützenkurse absolviert und werde auch ohne Hilfskomitee nach Spanien gelangen, liess man ihn in den Zug steigen. Nachts marschierte er über die Pyrenäen, später litt er im Thälmann-Bataillon in den mörderischen Kämpfen bei Brunete und Belchite, wo Tausende fielen. Willy hatte Glück und blieb am Leben. Zurück in Chur verdonnerte ihn das Divisionsgericht 7 zu drei Monaten Gefängnis. Eine empfindliche Strafe sei angezeigt wegen der «Einsichtslosigkeit des Angeklagten» - Willy blieb dabei, dass er in Spanien eine demokratische Pflicht erfüllt habe.

Auch Ruedi Kohler und Clara Thalmann wurden von der Militärjustiz verurteilt. Ruedi erhielt einen Monat Gefängnis, Clara gar zehn Monate - weil sie in einem Brief einen Bekannten aufgefordert hatte, er solle in Spanien bei der Revolution mithelfen. Die Angst der Machteliten, die in solchen Akten aufscheint, lässt tief ins politische Mikroklima der Ära der «Geistigen Landesverteidigung» blicken. Wenigstens posthum werden nun Geschichtsblockaden durch die symbolische Entkriminalisierung abgebaut. Und nicht wenige Nachkommen atmen auf.


Das Buch zum Thema

Rund 800 Freiwillige aus der Schweiz nahmen trotz Behördenverbot am Spanischen Bürgerkrieg (1936-1939) teil und kämpften gegen die drohende Diktatur von General Franco. 420 von ihnen wurden in der Schweiz wegen «Eintritt in fremde Kriegsdienste» zu Gefängnisstrafen verurteilt. Anfang März, kurz bevor die SpanienkämpferInnen nach mehreren Anläufen seit 1937 endlich rehabilitiert werden, erschien im Rotpunktverlag ein biografisches Handbuch, das Peter Huber in Zusammenarbeit mit Ralph Hug erarbeitet hat. In 700 Kurzbiografien wird anhand des umfangreichen Aktenmaterials aus Moskauer und Schweizer Archiven das soziale und politische Profil der Freiwilligen rekonstruiert. Eine ausführliche Einleitung zum Spanischen Bürgerkrieg zeigt den historischen Rahmen und macht das Buch zum wertvollen Grundlagenwerk.

Diskussion mit Paul Rechsteiner, Jakob Tanner, Peter Huber und Ralph Hug in: Zürich Kanzlei, So, 29. März, 18 Uhr.


Peter Huber in Zusammenarbeit mit Ralph Hug: «Die Schweizer Spanienfreiwilligen. Biografisches Handbuch». Vorwort: Jakob Tanner. Zahlreiche historische Fotos. 480 Seiten. Rotpunktverlag. Zürich 2009. 58 Franken.