«Mama Africa»: Die Kämpferin mit der zärtlichen Stimme

Nr. 7 –

Der finnische Regisseur Mika Kaurismäki war mitten in den Vorbereitungen für einen Film über die südafrikanische Sängerin Miriam Makeba. Dann starb sie unerwartet. Gut drei Jahre später erscheint sie nun endlich auf der Leinwand.

Vor dem langen Exil: Miriam Makeba als junge Sängerin in den fünfziger Jahren in Südafrika –wieder in ihr Heimatland zurück konnte sie erst im Jahr 1990. Foto: trigon- film

Miriam Makeba starb am 9. November 2008 nach einem Solidaritätskonzert in der Nähe von Neapel in Castel Volturno. Von den grossen Konzertbühnen hatte sie sich aus gesundheitlichen Gründen bereits drei Jahre früher zurückgezogen. Sie erklärte sich aber sofort bereit, für den von der Camorra wegen seines Buchs «Gomorrah» verfolgten Autor Roberto Saviano zu singen. Castel Volturno war schon zwei Monate früher in die Schlagzeilen geraten, als dort sechs afrikanische Einwanderer von der Camorra erschossen wurden.

Der finnische Regisseur Mika Kaurismäki – der ältere Bruder von Aki – arbeitete zu diesem Zeitpunkt bereits an einem Dokumentarfilm über die engagierte südafrikanische Sängerin mit der zärtlichen Stimme. Er hatte einiges Material gesammelt, aber noch keine Interviews mit ihr geführt – und dachte nach Makebas Tod über einen Abbruch des Projekts nach. Aber die Fülle des Materials gab seinem Vorhaben eine neue Richtung. Kaurismäki reiste nach Südafrika, Guinea und in andere Länder, wo er mit Familienangehörigen, Freundinnen und anderen ZeitzeugInnen das Gespräch suchte.

Musik als Heilmittel und Widerstand

Fotografien vom Aufstand gegen das Apartheidregime im südafrikanischen Soweto und historische Konzertaufnahmen stellt Kaurismäki an den Anfang seines Essays über das Leben der Sängerin, das von warmherziger Musik und Widerstand geprägt war.

Und dann kommt Makeba, die am 4. März 1932 in der Prospect Township bei Johannesburg geboren wurde, ins Bild. Sie rezitiert genüsslich ihren dreissig Worte umfassenden Namen, der eine ganze Reihe von Klicklauten enthält. Daraus wurde Miriam Makeba – und, später, von der grossen Verehrung kündend, die ihr zuteil wurde: «Mama Africa».

Die ersten Monate ihres Lebens verbrachte sie im Knast: Ihre Mutter wurde einige Tage nach der Geburt wegen illegalen Bierbrauens verhaftet. Wie ihre Grossmutter und die Mutter, die als kräuterkundige Heilerinnen aktiv waren, wurde auch Miriam bald zur Heilerin – über ihre Musik. Mit ihrer Gruppe Miriam & The Skylarks, die an US-amerikanische Girl Groups angelehnt war, erregte sie erstmals Aufsehen. Bei den bald folgenden Auftritten vor weissem Publikum in Südafrika musste sie noch durch die Küche auf die Bühne – und auf dem gleichen Weg wieder runter.

Bereits im Film «Come Back, Africa», für den der US-amerikanische Filmemacher Lionel Rogosin 1957 klandestin in Südafrika drehte, ist die junge Makeba zu sehen und mit zwei Songs zu hören. Der Film, der die Zustände im Apartheidstaat anprangerte, wurde zwei Jahre später am Filmfestival von Venedig mit grossem Erfolg gezeigt. Makeba war als Gast dabei, konnte aber wegen ihrer Mitwirkung im Film nicht mehr nach Südafrika zurückkehren. Der Film und ihre Platten gerieten auf den Index. Es war der Anfang eines Exils, das 32 Jahre dauern sollte.

Späte Heimkehr nach Südafrika

Einflussreiche Freunde wie Marlon Brando und Harry Belafonte ebneten Makeba den Weg in den USA. Schnell trat sie in den renommierten Jazzclubs von New York auf, und am 2. Mai 1960 stand sie mit Belafonte auf der Bühne der Carnegie Hall. Ihre Heimat aber vergass sie nie. 1963 hielt sie eine viel beachtete Rede vor der Uno-Vollversammlung und forderte den Boykott Südafrikas. Auf ihr politisches Engagement angesprochen, meinte sie nur: «Ich singe nicht über Politik, ich singe nur die Wahrheit.»

Auf der ersten Platte, die 1960 unter ihrem Namen erschien und auch eine ihrer schönsten ist, singt sie «The Click Song». Er wird in ihrer Township gesungen, wenn junge Mädchen heiraten, und heisst so, weil die englischsprachigen Leute die Klick- und Schnalzlaute der Xhosa-Sprache nicht aussprechen können. Zu «Pata Pata», ebenfalls ein Xhosa-Song, den sie 1967 erstmals aufnahm und der zu ihrem grössten Hit werden sollte, bemerkte sie einmal, dass sie ihn nicht besonders möge. Der Text sei ohne tiefere Bedeutung – ein Partysong eben, zu dem sich gut tanzen lasse.

Zum neuen Kreis der FreundInnen in den USA gehörten für Miriam Makeba aber auch Angela Davis, Martin Luther King, Malcolm X und andere ExponentInnen der «Black Consciousness» und der Black Panther Party. 1968 heiratete sie Stokley Carmichael, der den Begriff des «institutionellen Rassismus» prägte und zu dieser Zeit ein führendes Mitglied der Black Panthers war. Am Tag nach der Hochzeit wurden sämtliche Konzerte der Sängerin in den USA abgesagt. Sie bekam Hassbriefe mit Inhalten wie «Nigger go home» und wurde vom FBI überwacht.

In einem Interview wurde Makeba nach dem Unterschied zwischen den USA und dem Apartheidstaat Südafrika gefragt. Der sei gering, antwortete sie – und fügte an, Südafrika würde wenigstens die Rassentrennung nicht leugnen.

Sékou Touré, der Präsident von Guinea, den Makeba 1964 während einer abenteuerlichen Afrikatournee kennenlernte, bot Makeba und Carmichael eine neue Heimat an. Das Heimweh nach Südafrika aber blieb. 1990 kam Nelson Mandela endlich frei, und Miriam Makeba folgte dem Ruf des zukünftigen Präsidenten eines freien Südafrika: «You should come home». Als Erstes besuchte Makeba das Grab ihrer bereits 1960 verstorbenen Mutter.

Mama Africa – Miriam Makeba. Ab 16. Februar in Deutschschweizer Kinos. Regie: Mika Kaurismäki. Südafrika 2011