Film: Kein Platz für Tod und Trauer

Nr. 8 –

Da hängt sie, die Lehrerin.

Simon (Émilien Néron), der die Milch für seine KlassenkameradInnen auf die Tische stellen sollte, sieht sie durch die Scheibe der Schulzimmertüre, lässt vor Schreck die Harasse mit den Milchtüten fallen und rennt davon. Als der Rest der Klasse vom Freitod der geliebten Lehrerin erfährt, sind alle schockiert. Doch wie umgehen mit der Trauer, dem Verlust und auch den Schuldgefühlen, die vorhanden sind?

Die Schulpsychologin und die Schulleitung sind völlig überfordert und möchten so schnell wie möglich zum Alltag zurückkehren. Doch der neue Aushilfslehrer macht ihnen einen Strich durch die Rechnung. Der Algerier Bachir Lazhar (Mohamed Fellag), der seit Jahren in Montréal lebt, übernimmt den Unterricht der Elfjährigen. Zwar überfordert er seine SchülerInnen zunächst völlig, liest ihnen Honoré de Balzac vor und stellt Fragen wie: «Was ist eine Chrysalide?» Doch er spürt die Trauer und das Trauma der Kinder – der Unterricht findet im selben Schulzimmer statt, in dem sich ihre Lehrerin erhängt hat – und beginnt, mit ihnen über das tragische Ereignis zu reden. Sehr zum Ärger der Schulleitung.

«Monsieur Lazhar» von Philippe Falardeau, der auf dem Drama «Bachir Lazhar» von Evelyne de la Chenelière basiert, ist nicht einfach noch ein weiterer «Schule-und-engagierter-Aushilfelehrer-Film», von denen es eine ganze Menge gibt. Es ist ein feiner, unprätentiöser und auch witziger Film mit grossartigen DarstellerInnen, ohne manipulierende Filmmusik und ohne Hang zum Kitsch.

Dass auch Monsieur Lazhar als algerischer Flüchtling eine tragische Vergangenheit hat und unter anderem deshalb für die Trauer der Kinder sensibilisiert ist, erfährt die Kinobesucherin bald einmal. So sagt er denn auch, als die Schulleitung den Text einer Schülerin, der den Freitod der Lehrerin thematisiert, als grausam abtut: «Es ist das Leben, das grausam ist, nicht der Text.»

Silvia Süess

Ab 23. Februar in Deutschschweizer Kinos.