Spendenwesen: Eine Spende für die Gelddrucker, bitte

Nr. 13 –

Immer häufiger übernehmen Mailingfirmen das Spendensammeln. Eine heikle Entwicklung: In Deutschland wurde eine Firma wegen Spendenbetrugs angeklagt. Die Spur führt auch in die Ostschweiz.

Der Spendenmarkt ist hart umkämpft. Wer sich dort neu behaupten will, muss zuerst einmal Geld ausgeben. Mailingfirmen wittern deshalb offensichtlich gute Geschäfte. Die Stiftung Zentralstelle für Wohlfahrtsorganisationen (Zewo) informiert auf ihrer Website (www.zewo.ch) unter dem Vermerk «Warnungen» zum Beispiel über die «Stiftung Krebs-Hilfe» mit Sitz in Zürich: «Somit hat die Organisation im Jahr 2010 gar keine gemeinnützigen Tätigkeiten gemäss ihrem Zweck wahrgenommen.» 94 Prozent des Gesamtaufwands seien «für Drittleistungs-Mailings» ausgegeben worden, heisst es weiter. Etwas verkürzt könnte man deshalb zusammenfassen: Die Spenden gingen mehr oder weniger direkt an die Werbeagentur, die die Bittbriefe verschickt hatte.

Dieses eklatante Missverhältnis zwischen Spendeneinnahmen und den Ausgaben für Fundraising ist beileibe kein Einzelfall. Es gebe immer mehr Werbeunternehmen, die mitmischen wollten, bestätigt der Geschäftsführer eines im Kanton Zürich regional verankerten Hilfswerks. Die Entwicklung zeigt sich auch in Deutschland: In einem Bericht verwies der «Spiegel» auf die Zahl von 188 Millionen Spendenbettelbriefen, die im Jahr 2010 in deutschen Briefkästen landeten. Dies bedeute «eine Lizenz zum Gelddrucken für Mailing-Agenturen».

Anklage wegen Spendenbetrugs

Die Staatsanwaltschaft Hannover versucht nun in einem exemplarischen Verfahren zu belegen, dass die Zusammenarbeit einer Marketingfirma mit einem Hilfswerk darauf angelegt war, hohe Kosten zu verursachen. Die Anklage wegen Spendenbetrugs richtet sich gegen Verantwortliche der SAZ Marketing Services GmbH in Garbsen bei Hannover.

Die Firma hat einen direkten Link in die Schweiz: Sie gehört zur SAZ-Gruppe mit Sitz in St. Gallen. Nach einem «Spiegel»-Bericht habe die SAZ-Tochter quasi als Geschäftsstelle des Hilfswerks VFK Krebsforschung funktioniert. Der Grossteil der Spenden sei wohl bei ihr geblieben.

Ob es der Hannoveraner Staatsanwaltschaft gelingt, die Vorwürfe zu belegen, ist noch offen: Das Verfahren liegt nun beim Landgericht Hildesheim.

Heikle Entwicklung

Der Fall wird in St. Gallen sehr aufmerksam beobachtet. Rund um den SAZ-Verwaltungsrat Wolfgang Rölle gibt es dort an zwei Adressen gleich ein halbes Dutzend Firmen mit Namen wie Fundraising Solutions International AG oder CDMI Europe AG, die auch Direktmailings anbieten. Interessant ist der Blick ins Handelsregister: Bei all diesen Firmen sass bis vor kurzem der St. Galler Wirtschaftsanwalt Adrian Rüesch im Verwaltungsrat.

Adrian Rüesch ist in St. Gallen nicht unbekannt. Er ist Verwaltungsratspräsident der St. Galler Tagblatt AG und Verwaltungsratsmitglied der St. Galler Kantonalbank. Insgesamt sind unter seinem Namen allerdings etwa 120 aktuelle und abgegebene Verwaltungsratsmandate aufgeführt. Letzten Juni trat Rüesch zwei Wochen nach dem «Spiegel»-Bericht über die angekündigte Klage aus dem Verwaltungsrat der SAZ zurück.

Zufall? Auf Anfrage erklärte der Anwalt, sein Rückzug sei keine Reaktion auf die Vorwürfe gewesen. Er überprüfe seine Mandate periodisch und habe damals die Zahl seiner Sitze reduzieren wollen.

Unabhängig vom Ausgang des Verfahrens in Deutschland sind die Aufträge an Mailingagenturen eine heikle Entwicklung. Für SpenderInnen, die ihr Geld wirklich einem guten Zweck – und nicht etwa einer Werbeagentur – zukommen lassen wollen, bietet sich das Gütesiegel der Stiftung Zewo als Orientierung an. Die Stiftung prüft die Rechnungen der Organisationen und hat für den Anteil der Spenden, die zum Zweck des Fundraising eingesetzt werden dürfen, Obergrenzen festgelegt. Die Maximallimite, bezogen auf den gesamten Aufwand, liegt – je nach Grösse, Tätigkeitsgebiet oder Struktur der Organisation – bei 14 bis 24 Prozent.