Porträt: Küchen gegen das Misstrauen

Nr. 9 –

David Höner ist sehr vieles. Nur nicht sesshaft. Mit seinen bald 58 Jahren macht er sich vermehrt Gedanken über das Leben. Ein Resultat davon ist das Hilfswerk Cuisine sans frontières.

David Höner: «Ich koche, also will ich mittels Kochen und Essen Menschen helfen.»

Wer mit David Höner über David Höner spricht, landet schnell in politischen Grundsatzdebatten: über den Krieg in Mali, die Situation der Flüchtlinge in der Schweiz oder das Aufstreben der südamerikanischen Länder.

Es sind nicht nur abstrakte Begriffe fernab jedes Berührungspunkts zu Höners Leben: Mali bewegt ihn, weil dort ein Freund um seine Zukunft bangt, von Zürich aus will er mit seinem Hilfswerk Menschen in ärmeren Ländern ein besseres Leben ermöglichen, und Ecuador ist seine Wahlheimat, «weil dort eine regelrechte Aufbruchstimmung herrscht». Ganz im Gegensatz zur Schweiz, die «von der Angst vor Wohlstandsverlust regiert» werde. In Ecuador lebt er nahe der Hauptstadt Quito mit seiner Frau und einem gemeinsamen erwachsenen Sohn im eigenen Haus. Die Familie vermietet zwei weitere Häuser und eine Mehrzweckanlage, in der seine Frau Yogakurse gibt.

Die lange Jobliste

Wenn David Höner spricht, vermeidet er übertriebene Lautstärke, die Hände liegen meistens unaufgeregt auf der Tischplatte. Der Mann, der als exemplarischer Weltenbummler gelten könnte, hat vieles erlebt: 1955 geboren, aufgewachsen in Egg bei Zürich, später in Dübendorf, folgte er nicht dem elterlichen Wunsch eines Jurastudiums, sondern wurde Koch. Danach reiste er nach Buenos Aires, um Tango zu lernen – so kann er sich Choreograf, Tänzer und Tanzlehrer nennen. Später kam in der Schweiz ein Cateringprojekt mit einem Freund hinzu. «Bei meiner Arbeitswahl gibt es stets eine idealistische Linie, parallel dazu brauche ich aber auch einen Broterwerb», sagt Höner und bringt es auf der Broterwerbsliste auch auf Schiffskoch, Fachjournalist, Buchautor und Mineur.

Was machst du aus deinem Leben? Was gibst du ihm für einen Sinn? Diese elementaren Fragen treiben Höner an, zumindest aus beruflicher Perspektive, und er erhält eine grosse Antwort: «Meine Tätigkeit soll einen gesellschaftlichen Mehrwert erbringen.»

«Wenn du einen Autounfall siehst, macht dich das betroffen, und du willst helfen. Diese Betroffenheit spürte ich, als ich das Leid der Menschen erlebte.» Da habe er sich überlegt, wo die Wurzel des Übels sei, und habe sie in dem «tiefen gegenseitigen Misstrauen unter den Leuten» erkannt. «Ich überlegte mir, was ich mit meinen Mitteln machen kann», sagt Höner.

Vor rund sieben Jahren nutzte er seine Ausbildung zum Koch und gründete mit Freunden Cuisine sans frontières (CSF). Zusammengefasst ist CSF ein winziges Hilfswerk, das bei den lokalen Gemeinschaften und dem Übel des Misstrauens ansetzt. Die Vorgehensweise ist jeweils vergleichbar: Einem schweizerischen Gemeindesaal ähnlich wird ein Raum mit Küche geschaffen und von den beteiligten Menschen mit sozialen Anlässen belebt oder einfach als informeller Treffpunkt beim Mittagessen genutzt. CSF leitet den Aufbau und verhandelt vor Ort mit Konfliktparteien und Behörden. Nach der Inbetriebnahme werden die Küchenprojekte schrittweise in die Selbstständigkeit entlassen.

Auf die CSF-Idee kam Höner, als er über sein Leben nachdachte und sich fragte: «Was hast du anzubieten?» – «Ich bin Koch, also nutze ich meine Erfahrungen, um über das Kochen und Essen Leuten zu helfen.» Kochen tut Höner auch in seinem Zuhause in Ecuador, für die ganze Familie. Er möge besonders Lamm gern, entwickle sich mit zunehmendem Alter allerdings immer mehr zum Vegetarier, sagt der Zigarrenliebhaber, der gerne einmal mit Fidel Castro speisen würde.

Das Hilfswerk hält Höner auf Trab: Aktuell leitet er ein Projekt in Kenia, kürzlich moderierte er das jährliche «Kitchen Battle» in der Roten Fabrik in Zürich – ein Wettkochen, das bis jetzt die Haupteinnahmequelle des Projekts ist. Auch bereits oder bald in die Selbstständigkeit entlassene Projekte in Kolumbien, Ecuador und Brasilien verfolgt Höner weiter aufmerksam.

Das Zuhause in sich finden

Höner wünscht sich, dass CSF zu seinem Vermächtnis wird: «Die Organisation ist ein wichtiger Teil meines Lebens.» Und dazu ist er auf gutem Weg, denn CSF hat ihn schon in diverse Medien gebracht und damit nicht nur ihn selbst bekannter gemacht. So ganz ohne Sorge geht es allerdings auch bei einem Herzblutweltenbummler nicht: «Ich betrete jetzt das letzte Lebensdrittel, und das Nomadenleben wird physisch anstrengender. Es wird langsam Zeit, das auszuwerten, was man erlebt hat.» Da ist sie wieder, die Frage nach dem Sinn.

Doch schon hat David Höner das unstete Leben wieder: Anfang Februar ist er für CSF nach Kenia gefahren, bald zieht es ihn nach Georgien. Frühling und Sommer sind in Zürich geplant, bevor es dann wieder nach Quito geht. Fühlt man sich so überhaupt einmal zu Hause? «Da ich weder dort noch hier wirklich Zeit verbringe, ergibt sich selten ein richtiges Gefühl von einem Zuhause. Ich vermisse es oft. Dann muss ich versuchen, es in mir selbst zu finden.»