Medientagebuch: Der gehackte Wandel

Nr. 22 –

Knut Henkel über eine kubanische Onlinezeitung

Ein abgetöntes Orange und ein kräftiges Grau dominieren den Schriftzug «14ymedio». Das ist der Titel der ersten digitalen Zeitung aus und über Kuba, die am 21. Mai nach vierjähriger Vorbereitung online ging. Die wird von Yoani Sánchez, Kubas berühmter Bloggerin, und ihrem Ehemann Reinaldo Escobar geleitet. Vier Jahre hat Yoani Sánchez – eigener Aussage zufolge – von der Zeitung geträumt, die nun ihren berühmten Blog «Generación Y» ersetzt. Im April 2014 hatte sie das Kapital beisammen, um das Projekt zu starten. Fünfzehn private Geldgeber, darunter wahrscheinlich der ehemalige polnische Gewerkschaftsführer Lech Walesa mit seiner Stiftung sowie Literaturnobelpreisträger Mario Vargas Llosa, machen «14ymedio» möglich. Beide gehören auch zu einer illustren Liste von mehr als zwei Dutzend Prominenten, die an die kubanische Regierung appellierten, von Massnahmen wie dem Blockieren der Internetsite abzusehen.

Genau das geschah aber bereits neunzig Minuten nach dem Freischalten der Site. Alle BesucherInnen aus Kuba wurden automatisch auf yoanislandia.com weitergeleitet, wo über Kubas «reichste Frau» und die Zeitung als «14  und eine halbe Lüge» gelästert wird. Das Ziel der elfköpfigen Redaktion wird so erschwert. «‹14ymedio› wird ein Medium, von dem wir hoffen, dass es die in unserem Land notwendigen Wandel unterstützt», sagt Yoani Sánchez, die ihr Projekt als nicht Castro-feindlich bezeichnet, weil es in die Zukunft und nicht in die Vergangenheit blicke. Aber um etwas zu bewirken, wäre es notwendig, auf der Insel erreichbar, sichtbar und lesbar zu sein. Genau das hatten die Hacker vorerst unterbunden. So schien es, als müsse das Blatt, das alle zwei bis drei Tage mit einer neuen Ausgabe online gehen will, auf informellen Wegen in Kuba verbreitet werden – über Memory Sticks, CDs und im PDF-Format über Mailinglisten.

Das sei «nichts Neues», sagt der unabhängige Journalist Iván García, der seit Beginn der neunziger Jahre über die Realität auf der Insel berichtet: Auch anderen unabhängigen Medien wie der Zeitung «D’Cuba», die der mittlerweile in Spanien lebende Journalist und Dichter Raúl Rivero 2002 herausgab, oder der «Primavera digital», einer digitalen Wochenzeitung von der Insel, ist es so ergangen. «Nur ist das mediale Echo um ‹14ymedio› deutlich grösser. Das liegt am Marketing und am Geld dahinter», sagt Iván García. Er findet den Auftakt von «14ymedio» gut. Highlights waren die Reportage aus der Notaufnahme des Krankenhauses Ciro García, ein Interview mit dem im Gefängnis sitzenden Dichter Ángel Santiesteban oder die Analyse der Reformen unter Raúl Castro von Miriam Celaya. Auch die Redaktion ist gut besetzt. García wirft allerdings den MacherInnen einen Mangel an Transparenz vor. «Warum werden die Förderer des Projekts nicht benannt?», fragt er und weist zugleich darauf hin, dass die Unterschiede zu Nachrichtenportalen wie «Cubaencuentro» oder «Diario de Cuba» nicht sehr gross sind. Die werden jedoch im Ausland betrieben, nicht von der Insel aus, und diesen Unterschied betont Yoani Sánchez.

Nach der Attacke auf ihre Website gab sie sich kämpferisch. «Nichts ist reizvoller als das Verbotene», twitterte sie, doch sie träume weiter davon, dass «14ymedio» irgendwann selbst am Kiosk in Kuba erhältlich sein werde.

Ein schöner Traum, und Anfang dieser Woche sah es tatsächlich so aus, als sei die Website nun in ganz Kuba plötzlich ohne Störungen lesbar geworden.

Knut Henkel schreibt für die WOZ aus Lateinamerika.