Kommentar: Sternenhimmel über Rom

Nr. 25 –

Diesmal ist die häufig verwendete Redewendung vom «politischen Erdbeben» keine Übertreibung: Die Bürgermeisterwahlen in mehreren italienischen Grossstädten haben Italien durchgeschüttelt. In Rom und Turin werden künftig zwei junge, bis vor kurzem noch weitgehend unbekannte Frauen regieren: Virginia Raggi (37) und Chiara Appendino (32), beide Kandidatinnen der Fünf-Sterne-Bewegung (Movimento Cinque Stelle, M5S). Raggi gewann die Stichwahl in Rom mit beachtlichen 67 Prozent der Stimmen.

Grosse politische Veränderungen sind von der neuen Bürgermeisterin allerdings nicht zu erwarten: Die italienische Hauptstadt gilt wegen der dort agierenden wirtschaftlich mächtigen Interessengruppen als unregierbar. Das heisst aber nicht, dass der Erfolg der Fünf Sterne rein symbolisch wäre. Die junge Partei, erst 2009 vom Komiker Beppe Grillo und vom IT-Unternehmer Gianroberto Casaleggio gegründet, hat landesweit so gute Ergebnisse erzielt, dass sie auch auf nationaler Ebene zur Herausforderung für den Partito Democratico (PD) geworden ist (siehe WOZ Nr. 22/2016 ).

Das musste auch Matteo Renzi, PD-Sekretär und Ministerpräsident zugleich, schnell einräumen – nachdem er am Wahlabend noch lokale Besonderheiten für das Wahlergebnis verantwortlich gemacht hatte. Einen Tag später präsentierte er eine andere Erklärung: Im Erfolg von M5S manifestiere sich nicht Protest, sondern der Wunsch nach Veränderung – mehr Veränderung, als die WählerInnen dem PD zutrauen würden. Das wiederum liege daran, dass es dem PD an jungen, frischen Gesichtern fehle. Um das zu ändern, hätte er bei der «Verschrottung» der alten Kader konsequenter sein müssen. Seiner alten Kampfparole fügte er noch die vom «Flammenwerfer» hinzu, mit dem er nun durch die Parteisektionen gehen wolle.

Zweifel an der von ihm betriebenen Politik lässt Renzi auch nach dem Debakel nicht aufkommen. Dabei hat sich trotz grossspuriger Ankündigungen des Premiers an der tief gehenden sozialen Krise wenig geändert. Die über Jahre konstante Erwerbslosenquote von mehr als vierzig Prozent in der Altersgruppe bis 25 Jahre hat entscheidend dazu beigetragen, dass massenhaft junge WählerInnen ihre Hoffnungen in die noch unbelasteten Fünf Sterne setzen.

Im Herbst steht die nächste Kraftprobe an. Dann wird per Referendum über eine autoritäre Verfassungsreform und ein neues, undemokratisches Wahlgesetz abgestimmt. Im Fall des Scheiterns will Renzi als Premier und Parteichef zurücktreten. Das könnte den Weg frei machen für ein neues Mitte-links-Bündnis. Mehr als eine vage Hoffnung ist das aber derzeit nicht.