Im Affekt: In der Fotohölle

Nr. 5 –

Kann dieses medial umschwärmte Fotoprojekt einen Funken Charme versprühen? Die bekannteste US-Fotografin Annie Leibovitz gastiert mit ihrer Wanderausstellung «Women» im Zürcher EWZ Unterwerk Selnau, bezahlt wurde die Schau aus lauter Frauenbildern von der UBS. Die Grossbank dekoriert damit anscheinend ihre «Initiative zur Förderung des Selbstvertrauens in Finanzfragen von einer Million Frauen bis 2021». Oder wie es die Programmleiterin Mara Harvey sagt: Ziel ist es, «der nächsten Generation weiblicher Anleger das notwendige Wissen zu vermitteln, damit sie in der Lage sind, das Beste aus ihrem Vermögen herauszuholen».

«Weiblicher Anleger»? Echt jetzt? Auch sonst muss man sich fragen, vor welchen Karren sich die Fotografin hier wieder hat spannen lassen. Wählerisch war sie diesbezüglich noch nie. Für ihre Hauptarbeitgeber, die Hochglanzmagazine «Vanity Fair» und «Vogue», lichtete sie etwa quer durch das politische Beet fast alle ab, von George W. Bushs Kabinett über Aung San Suu Kyi bis zu den Obamas und den Clintons. Auf die Frage der «NZZ am Sonntag», ob sie auch Melania Trump porträtieren werde, sagte sie sehr auffällig nicht Nein. Selbst vor dem eigenen Privatleben macht sie mit ihrer Kamera nicht halt. Sie fotografierte ihre Geliebte Susan Sontag, als diese sterbend im Krankenhaus und dann auf dem Totenbett lag, und veröffentlichte die Bilder später auch.

Schlummert trotzdem eine Einsicht in Leibovitz’ gesammelten Frauenporträts? Abgesehen davon, dass die lieblos eingerichtete Zürcher Schau jede kuratorische Umsicht vermissen lässt, offenbart sich in ihr schlagartig die Leere dieses «Women»-Projekts. Reihenweise mehrheitlich berühmte Frauen in Posen gezeigt zu bekommen, hat in etwa den Erkenntniswert einer Schachtel Luxemburgerli. Am Kopf der Ausstellung thront ein Porträt der Queen. Sie und ihre Millionen würden der UBS sicher gut ins Frauenanlageprogramm passen.

Ärgerlichste Exponat? Das Foto der Schreibtischplatte von Virginia Woolf, auf das Leibovitz ein Porträt von Susan Sontag gepinnt hat.