Popmusik: Die Agglo als Exil

Nr. 36 –

Da rauscht er wieder, dieser unruhige, gebrochene Sound, da mäandert sie wieder, diese mal wispernde, mal zornige Stimme: Erika M. Anderson, kurz EMA, ist mit ihrem dritten Album zurück. In der Fortsetzung fällt auf, was für ein politisches Werk die 35-Jährige erschafft. Nach «Past Life Martyred Saints», dem Coming-of-Age-Debüt, auf dem sie der Enge in South Dakota entfloh, über «The Future’s Void», das noch vor dem NSA-Skandal die Überwachung im Netz thematisierte, lautet das Motto diesmal «Exile in the Outer Ring».

Der Stadtrand ist nach EMA der Ort, wo sich die beiden Hälften der Vereinigten Staaten begegnen. Aus dem ländlichen Teil stranden die Menschen hier auf der Suche nach Jobs. Anderson kennt dieses Amerika aus ihrer Heimat South Dakota, wo mehr als sechzig Prozent Donald Trump wählten. Das sogenannte Heartland ist keine Idylle mehr, sondern geprägt von Armut, Drogen und Perspektivlosigkeit. Aber auch aus den liberalen Städten werden die Menschen an die Ränder gedrängt, weil sie sich die Mieten in den durchkommerzialisierten Zentren nicht mehr leisten können. Auswechselbar seien sie alle geworden, klagt EMA, die selbst in Los Angeles wohnte. Heute lebt sie in einem Kellerstudio bei FreundInnen in Portland und ist überzeugt: Die USA werden sich aus Suburbia neu erfinden.

Wie das Zwischenreich klingen kann, macht EMA gleich selbst vor mit ihrem Sound aus Gitarrenriffs und Synthiebögen, aus Noise und Drones. Immer wieder durchsetzt sie ihre Songs mit Sprechgesang und Störgeräuschen. Und wenn alles undurchdringbar scheint, setzt sie zu ihrem Appell gegen falsche Illusionen an, wie im Song «Aryan Nation»: Man könne sich noch so oft an den Geschichten berühmter Männer orientieren. Es blieben die Geschichten berühmter Männer. EMA gibt die Brückenbauerin, verständnisvoll und doch immer unmissverständlich. Der Song «Aryan Nation» sei den Leuten gewidmet, deren Ängste real seien. Sie belächle sie nicht und verachte sie nicht. Bloss gebe es keinen Grund, die Ängste gegen Menschen zu richten, die weniger Macht hätten: «Don’t look down, look up.»

Konzerte in: St. Gallen, Palace, 28. September 2017; Zürich, Rote Fabrik, 29. September 2017.

EMA: Exile in the Outer Ring. City Slang. 2017