Leo Panitch (1945–2020): Vordenker der internationalen Linken

Nr. 52 –

Anfang der nuller Jahre hielt ein grosser Teil der internationalen Linken den Bedeutungsverlust der Nationalstaaten für eine ausgemachte Sache. Kaum ein Buch widersprach dieser These so überzeugend wie «The Making of Global Capitalism. The Political Economy of American Empire» von Leo Panitch und Sam Gindin. Die beiden Kanadier zeichneten darin nach, welch zentrale Rolle der US-Staat bei der Formung des globalen Kapitalismus spielte und warum die Nationalstaaten auch in der Globalisierung für den Kapitalismus unverzichtbar bleiben.

Der 1945 im kanadischen Winnipeg geborene Leo Panitch stammte aus einer jüdischen, aus der Ukraine eingewanderten Arbeiterfamilie. Er studierte Politikwissenschaften und lehrte ab 1972 an verschiedenen Universitäten. Für die internationale Linke wurde er vor allem über die britische Jahreszeitschrift «Socialist Register» zum Bezugspunkt, die er seit 1985 mitherausgab. Charakteristisch für Panitch war, dass er sich, wie viele Intellektuelle seiner Generation, mindestens ebenso sehr als Aktivist wie als Akademiker verstand. Von der ausserparlamentarischen «Neuen Linken» geprägt, suchte er die Nähe zu den Gewerkschaften. Dafür steht auch seine langjährige Kooperation mit dem Ökonomen Sam Gindin, der für die kanadische Automobilarbeitergewerkschaft über industrielle Transformation und soziale Kämpfe forscht. Panitch war ein scharfer Kritiker des Rechtsrucks in den sozialdemokratischen Parteien, wie ihn beispielsweise Tony Blair in der britischen Labour Party vorantrieb. Zugleich war er aber auch der Ansicht, dass sich soziale Bewegungen viel zu wenig mit konkreten Transformationsprojekten beschäftigten. Die Finanzkrise ab 2008 hielt er in diesem Sinne für eine verpasste Chance, weil man in dieser Lage entschlossen auf eine Vergesellschaftung der Banken hätte hinwirken können.

Während einer Krankenhausbehandlung infizierte sich Leo Panitch mit dem Coronavirus und ist vergangene Woche an Covid-19 gestorben. Mit ihm hat die internationale Linke einen ihrer brillantesten Politökonomen verloren.