Pop: Schattensounds im Mutantenzoo

Nr. 10 –

Der US-Plattenfirma Light in the Attic ist es zu verdanken, dass japanische Pop- und Avantgardemusik früherer Jahrzehnte endlich breiter zugänglich wird. Vor allem die Kompilationen des Labels geben einen guten Überblick über die jeweiligen Szenen und Genres. So auch der inzwischen fünfte Japansampler, der Musik aus den Jahren 1980 bis 1988 versammelt, unter dem Titel «Somewhere Between. Mutant Pop, Electronic Minimalism & Shadow Sounds of Japan».

Die vierzehn Stücke decken ein sehr weites musikalisches Feld ab: Mit dem Synthiepop von Noriko Miyamoto («Arrows & Eyes») oder dem schwelgerischen Songwriterpop von Sonoko («Wedding with God») sind Songs dabei, die von New Romantic und Electro beeinflusst sind und die den Achtzigermainstream doch zugleich auf Distanz halten – zu verschachtelt, verspielt und vielschichtig sind die Kompositionen, zu artifiziell der jeweils weibliche Gesang, als dass sie glatte Pophits abgäben.

Daneben stehen rein instrumentale, repetitive Stücke wie Yoshio Ojimas «Days Man», das Vibrafon- und Dancefloorklänge zusammenbringt, oder das fantastische «Tira Rin» des Mkwaju Ensemble mit seinen hypnotischen Marimbapatterns. Davon will man sofort mehr hören. Genauso vom Elektropopduo Dip in the Pool, die in «Hasu no enishi» eine schön schräge Melange aus Gamingsounds, harmonisch-hellem Gesang und einem schmierigen Fake-Gitarrensolo erschaffen.

Eher ein Ausreisser ist «Weimar 22» von RNA Organism, die mit Synthiegeplucker, Frequenzenrauschen und kühlen, monotonen Beats irgendwo zwischen Stockhausen und Postpunk anzusiedeln wären. Wer sich für diesen experimentelleren Sound interessiert, dem seien einige Wiederveröffentlichungen des japanischen Labels Vanity Records empfohlen.

Auf «Somewhere Between» dagegen reichen sich Pop und Minimalismus die Hand, und warum im Albumtitel von «Shadow Sounds» die Rede ist, erschliesst sich beim Hören auch: Häufig klingen die Stücke geheimnisvoll, ungreifbar, mystisch. Ein toll kuratierter Sampler, der zum Weiterhören und -entdecken animiert.

Various Artists: Somewhere Between. Mutant Pop, Electronic Minimalism & Shadow Sounds of Japan. Light in the Attic / Rough Trade. 2021