Kost und Logis: Versteck im Dunkeln

Nr. 48 –

Bettina Dyttrich kocht Novembergerichte und freut sich

«Kann man mit Kochbüchern reich werden?», hat kürzlich in der Küche jemand gefragt. Ja, wenn man Yotam Ottolenghi heisst, wohl schon. Und ich habe nichts dagegen: Auch dank des israelisch-britischen Starkochbuchautors hat die pflanzenlastige Küche endlich den Platz, den sie verdient. Auch ich habe mich an langen Sommerabenden schon über seine Geschmackskombinationen gefreut. Zum Beispiel über den fein gehackten Ingwer auf dem Tomatensalat: Schmeckt grossartig, ich wäre nie darauf gekommen.

Aber eben, die Tomaten: Ottolenghis Gemüseauswahl passt in ein mediterranes Klima. Wer nördlich der Alpen wirklich saisonal kochen, also kein Gemüse aus geheizten Gewächshäusern verwenden, will, kann seine Bücher nur knapp fünf Monate im Jahr brauchen. Und wer nicht gern Tage mit der Suche nach Zutaten verbringt, ist von der Einkaufsliste schnell überfordert (wo bekomme ich Kaffirlimettenblätter? Bio?).

Auf der Suche nach Rezepten für unsere Klimazone habe ich das schöne vegetarische Kochbuch «Greenfeast. Herbst/Winter» des britischen Schriftstellers und Foodjournalisten Nigel Slater gefunden. Slaters Küche ist schlichter als Ottolenghis; viele Rezepte lassen sich gut noch schnell nach Feierabend kochen. Er setzt auf wenige, genau kombinierte Zutaten: Topinambur, Pistazien und Trauben. Rosenkohl und Schimmelkäse. Randen, Dill und Meerrettich, ergänzt mit etwas Sauerkraut. Eine Suppe aus Pilzen und Butternusskürbis, gewürzt mit Ingwer und zwei Sorten Paprika. Überhaupt spielen Kürbis und Pilze eine grosse Rolle, genauso wie Rahm und verschiedene Käsesorten (für Veganer:innen ist das Buch nicht so geeignet). Im Winter sehne er sich nach Essen, «das sowohl tröstet als auch wärmt», schreibt Slater.

An einem Samstagabend im November koche ich Slaters Ofenkürbis mit Senfsauce. Neben mir sitzen fünf Leute im Kreis und rüsten Boskop in Fabrikmengen. Es duftet nach Apfelmus. Und wie so oft, wenn Arbeit kollektiv und ohne Zeitdruck möglich ist, fühlt sie sich nicht mehr wie Arbeit an. Sondern gleichzeitig produktiv, unterhaltsam und geborgen. Viele Leute sehnen sich nach freundlichen Gruppen mit einer Aufgabe und suchen sie in Freiwilligenarbeit, im Verein. Man kann auch einfach zusammen wohnen, dann entstehen sie hoffentlich von selbst.

Immer wenn ich es Anfang Oktober nicht mehr in die kalte Aare schaffe, kommt die Angst vor dem grossen Dunkel. Aber dann erinnere ich mich, wie sehr ich es geniesse, durch den Nebel aufwärtszuwandern, bis Licht hindurchscheint. Oben das Gesicht in die Sonne zu halten, bis sie untergeht, und dann ganz stark den Temperaturkontrast zu spüren beim Zurücktauchen in die Nebelwelt. In die Sauna zu gehen und an Konzerte, als wären die Nächte zusätzliche Tage. Dann wieder ganz viel zu schlafen, Kürbis, Marroni und Mandarinen zu essen. Jetzt kann ich das grosse Dunkel umarmen wie ein gutes Versteck.

Bettina Dyttrich ist WOZ-Redaktorin. Nigel Slaters Kochbuch «Greenfeast. Herbst/Winter» ist im Dumont Verlag erschienen.