Biodiversität: Kommission will Fortschritt torpedieren

Nr. 47 –

Der Krieg gegen die Ukraine ist für die bürgerlichen Agrarpolitiker:innen im Parlament ein willkommenes Argument: Nahrungsmittelproduktion müsse nun Priorität haben, lautet die Begründung, mit der sie derzeit gegen strengere Biodiversitätsstandards kämpfen. Die Wirtschaftskommission des Nationalrats hat vor der Wintersession die bundesrätliche Vorlage «Absenkpfade Pestizide und Nährstoffverlust» beraten und dabei zwei Motionen aus dem Ständerat zugestimmt. Die Nationalratskommission will einerseits, wie von FDP-Ständerätin Johanna Gapany vorgeschlagen, das Reduktionsziel für landwirtschaftliche Stickstoffemissionen senken. Gleichzeitig stimmte sie einer Motion von Mitte-Ständerat Beat Rieder zu. Dieser will verhindern, dass künftig, wie in der Vorlage vorgesehen, auf mindestens 3,5 Prozent der Ackerfläche Biodiversitätsflächen angelegt werden müssen.

Das ist insbesondere deshalb brisant, weil die Massnahmen im Zusammenhang mit den beiden Pestizidinitiativen zustande kamen, über die die Stimmbevölkerung im Juni 2021 abgestimmt hat. Das Parlament hatte im Vorfeld der Abstimmung – um die Argumente der Initiant:innen zu schwächen – eine Art inoffiziellen Gegenvorschlag geschaffen, um die Belastung durch Pestizide und Überdüngung zu senken. Die Initiativen wurden schliesslich bachab geschickt. Doch nun, da der Bundesrat konkrete Umsetzungsvorschläge ausgearbeitet hat und Bund, Kantone und die Branche bereitstünden, droht das Parlament seine eigene Initiative zu torpedieren. Auf die Barrikaden gegangen war insbesondere der Bauernverband.

Der Ständerat hat die Motionen Gapanys und Rieders bereits verabschiedet. Nun entscheidet der Nationalrat, ob er beim Absenkpfad vorwärtsmachen will oder das Parlament der Lobby der konventionellen Landwirtschaft folgt. Diese beharrt darauf, dass mehr Biodiversität dem Ziel eines hohen Selbstversorgungsgrads entgegenstehe. Das aber stimmt nur dann, wenn der Fleischkonsum so hoch bleibt wie anhin: Derzeit werden in der Schweiz achtzig Prozent der Landwirtschaftsflächen für die Tierproduktion gebraucht.