Bundesratswahl: Eine Regierungsrätin wird es bestimmt

Nr. 47 –

Die SP schickt ihre Kandidatinnen auf Tournee. Die geben sich konziliant, doch in den gesellschaftlichen Perspektiven unterscheiden sie sich stark.

Eva Herzog, Elisabeth Baume-Schneider und Evi Allemann bei einem Podium
Konkordant: Eva Herzog, Elisabeth Baume-Schneider, Evi Allemann. Foto: Michael Buholzer, Keystone

Fast wirkt es, als ob sich die Politik in Zeitlupe bewege. Drei Frauen werden vom Scheinwerferlicht der TV-Kameras geblendet, erheben sich und schreiten zum Podium. Sie heissen Evi Allemann, Elisabeth Baume-Schneider und Eva Herzog, die SP hat zu einer Tournee mit ihren Bundesratskandidatinnen geladen, an diesem Montag im Luzerner Neubad findet die erste Austragung statt. Natürlich, es geht um Marketing für die Partei, und doch bietet der Anlass einen seltenen Einblick in die Schweizer Politik. Man sieht drei Politikerinnen im Zwischenstadium hin zum höchsten Regierungsamt, das in diesem Land vor allem ein oberstes Verwaltungsmandat ist. Und so reden sie alle auch schon, bloss keinen Fehler machen jetzt: konkordant und konziliant.

Sie haben ja auch alle viel Übung darin. Wer auch immer ab dem 7. Dezember die SP neu im Bundesrat vertreten wird, eines ist schon klar: Es wird im Geist eine Regierungsrätin sein, ob amtierend oder ehemalig, aus dem Kanton Bern (Allemann), Jura (Baume-Schneider) oder Basel-Stadt (Herzog). Kein politisches Amt in der Schweiz schreibt sich tiefer in die Sprache und den Habitus ein als das eines Regierungsrats, einer Regierungsrätin. Entsprechend regierungsrätlich reden und geben sie sich, stets unter Berücksichtigung aller Staatsebenen und speziell der Kantone. «Ich habe Freude am grössten gemeinsamen Nenner», sagt Evi Allemann einmal.

Die bange Frage stellt sich von selbst: Gibt es Zwischentöne, Unterschiede? In der Perspektive auf die Gesellschaft sind dann doch einige erkennbar.

Hauptsache, Erfolg

Gleich zweimal widerspricht Eva Herzog der SP-Parteilinie. Zum einen bei der OECD-Mindestbesteuerung, bei der sie sich dafür einsetzt, dass ein möglichst hoher Anteil der Einnahmen an die Kantone gehen soll (vgl. Seite 3). Auch wenn diese dann, wie Moderator David Roth am Beispiel von Luzern aufzeigt, wieder für Steuersenkungen zugunsten der Vermögenden eingesetzt werden. «Für solche Päckli habe ich nicht viel Verständnis», sagt Eva Herzog. Obwohl diese Päckli die Folgen des von ihr unterstützten Pakets auf Bundesebene sind. Auch beim EU-Rahmenabkommen kritisiert Herzog indirekt SP und Gewerkschaften. Eine bessere Lösung werde kaum kommen. «Wir dürften noch öfter bereuen, dass wir das Abkommen nicht genommen haben.» Den Lohnschutz hätte man auch im Inland sichern können.

Herzog zeigt an diesem Abend nicht nur, wie weit rechts sie in der Partei steht, sondern auch, wie wichtig ihr der persönliche Erfolg ist. In Basel, rühmt sie sich, habe sie alle Abstimmungen gewonnen. Der Wechsel in den Ständerat, das gebe sie unumwunden zu, sei eine grosse Umstellung gewesen, da seien die Erfolge seltener. Darum will sie nun auch in den Bundesrat, um wieder ihrer Lieblingsbeschäftigung nachgehen zu können: «Pakete schnüren».

Elisabeth Baume-Schneider hat sich in ihrer Politiklaufbahn nicht mit Steuersenkungen, sondern mit Sparprogrammen beschäftigt. «Es tat immer weh, wenn wir in einem Dorf eine Schulklasse schliessen mussten», erzählt die frühere jurassische Erziehungsdirektorin. Umso wichtiger sei es ihr im Ständerat, dass die Anliegen der Geringverdienenden berücksichtigt würden. «Doch in der Sozialpolitik ist der Ständerat leider keine ‹chambre de réflexion›, sondern eine ‹chambre d’obsession de la droite›.» Es mache sie unruhig, wie wenig derzeit gegen die Auswirkungen der Inflation getan werde.

Die Gesellschaft von unten

Zwar gelingt es Baume-Schneider nicht unbedingt, grössere Bögen in der Sozialpolitik zu skizzieren. Da ist sie wieder, die ehemalige Regierungsrätin, stets auf das nächste Geschäft konzentriert. Aber in ihrer Erzählung über die Schweiz kommen wenigstens nicht nur die Erfolgreichen vor: Da geht es auch einmal um den Schutz von Sexarbeiter:innen oder die Sozialhilfe für Asylsuchende. Die Frau, die den Jura nicht als ländlich, sondern als offen verstanden haben will, scheint die Gesellschaft als Ganzes im Blick zu haben.

Schliesslich irgendwo dazwischen: Evi Allemann. Sie berichtet gerne aus dem Alltag, von den hohen Krankenkassenprämien etwa, um am Ende zuverlässig bei den Anliegen der Wirtschaft zu landen. Das führt dann zu Wortkreationen wie dem «Familienstandort Bern», den sie mit Prämienverbilligungen gefördert habe. Versiert zeigt sich die frühere VCS-Präsidentin in der Umweltpolitik: Die Ergebnisse des runden Tisches zur Wasserkraft begrüsst sie wie die rechtlich umstrittene Solaroffensive im Parlament. Zudem betont sie, was in der hektischen Energiedebatte gerne vergessen geht: «Die Energie- muss auch eine Verkehrswende sein.» Speziell in den Agglomerationen will sie den ÖV gegenüber dem Auto fördern.

Allemann, Baume-Schneider und Herzog müssen nach ihrer Tour zwei sehr unterschiedliche Wahlgremien überzeugen: am Samstag für einen Platz auf dem Zweierticket die stärker links ausgerichtete SP-Fraktion, dann bei der Wahl die Bundesversammlung, in der die Mitte den Ausschlag gibt. Es wäre zwar eine Überraschung, aber nach der Positionierung der Kandidatinnen in Luzern ist nicht auszuschliessen, dass sich die Fraktion für Allemann und Baume-Schneider entscheidet. Und was ist die Meinung unter den 200 Gästen? Die Älteren schwanken zwischen Herzog und Allemann, die Jüngeren sind für Baume-Schneider.