Harry Belafonte (1927–2023): Skandalöse Berührung

Nr. 18 –

Das Schöne an einer Wochenzeitung: Man muss nicht noch mal wiederholen, dass Harry Belafonte eine Jahrhundertfigur war – als Sänger, Schauspieler und politischer Aktivist. Sondern kann allerlei Wissenswertes rundherum zitieren. Dass der neunzigjährige Quincy Jones den mit 96 verstorbenen Belafonte als «dear brother-in-arms» (lieber Kampfgefährte) verabschiedete. Dass in den USA 1968 eine «moral panic» ausbrach, als Belafonte im TV das Antikriegslied «On My Path» sang – nicht des Liedes wegen, sondern weil der schöne Schwarze Mann mit der weissen Kollegin Petula Clark auftrat, die ihn am Arm berührte, was in die Geschichte einging als «erste ‹gemischtrassige› Annäherung im US-Fernsehen», so der «Münchner Merkur». «Mit Unterstützung seiner Duettpartnerin besteht er darauf, dass die Szene gegen den Willen des Hauptsponsors in der Show bleibt.» Dass Belafonte einen jüdischen Grossvater hatte und seine zweite Ehefrau Jüdin war, erfahren wir in der «Jüdischen Allgemeinen», die daran erinnert, dass die Schwarze Bürgerrechtsbewegung in den USA massgeblich von Jüdinnen und Juden unterstützt wurde, ideell wie finanziell.

Belafonte machte Politik nicht nur mit Reden und Transparenten, auch mit Geld. Einen Beleg dafür verdanken wir dem karibisch-britischen Musiker Cleveland Watkiss: «1958 wurde Mr. Belafonte, der als erster Plattenkünstler mehr als eine Million LPs verkaufte, von einer Wohnung in Manhattan nach der anderen abgewiesen. Also schickte er seinen Publizisten, der weiss war, zur Miete einer Vierzimmerwohnung in die West End Avenue.» Dieser macht den Mietvertrag klar, Belafonte unterschreibt, wird jedoch wieder rausgeschmissen, als der Hausverwalter merkt, dass er einen Schwarzen Mieter hat. Daraufhin kauft Belafonte mithilfe von Scheinimmobilienfirmen das ganze Gebäude. Bald ziehen Freund:innen ein, nicht nur weisse. Das Penthouse habe Lena Horne bekommen, die Sängerin und Schauspielerin mit ­«afroamerikanischen, europäischen und indianischen Vorfahren», wie Wikipedia weiss.

Alle weisen darauf hin, dass Belafontes Hit «Banana Boat Song» nicht der Schunkelstimmungsschlager war, zu dem er von weissen Fasnächtler:innen in Europa gemacht wurde, sondern «eine bittere Anklage, gesungen von todmüden Hafenarbeitern nach ihrer Nachtschicht beim Verladen von Bananen». So die FAZ, das gute alte Kampfblatt der Arbeiter:innenbewegung.