Im Affekt: «Eine schwarze Komödie»

Nr. 32 –

Es gibt klare Vorstellungen darüber, wie man(n) sich als Fussballspieler nach einem verschossenen Penalty zu verhalten hat: Man beisst ins Trikot (Kane) oder versteckt sich darin (Schweinsteiger), blickt zerknirscht auf den Boden (Mbappé), hält sich die Hände vors Gesicht (Jorginho) oder weint sich an der Brust eines Teamkollegen aus (Messi). Wichtig ist jedenfalls, dass man die Verzweiflung über das eigene Scheitern, das ja ein ganzes Land mit ins Unglück stürzt, unmissverständlich ausdrückt. Nur so kann man auf Absolution hoffen.

Nicht gut angekommen ist dagegen die Reaktion der US-Starfussballerin Megan Rapinoe, nachdem sie im WM-Viertelfinal gegen Schweden ihren Penalty verschossen hatte: Rapinoe verzog ihre Lippen zu einem Lachen. Sie erklärte es später so: «Dass ich in meinem letzten Spiel einen Elfmeter verschossen habe, ist wie eine dunkle, schwarze Komödie. Es ist ein kranker Witz, ich kann es nicht glauben. Ich habe ihn noch nie drüber geschossen.»

Der Shitstorm in den sozialen Medien liess nicht lange auf sich warten: «Ich habe noch nie in meinem Leben eine Spielerin gesehen, die das Tor nicht trifft und anschliessend lacht, als würde es sie nicht interessieren. Diese Frau ist eine absolute Schande.» Oder: «Wenn Megan Rapinoe, die antiamerikanische, frauenfeindliche Verliererin mit den bunten Haaren, sich auf das Fussballspielen konzentrieren würde und weniger auf demonstrative politische Korrektheit, hätte sie den Elfmeter vielleicht nicht verschossen.»

Rapinoe ist für die Rechte in den USA seit Jahren eine Hassfigur. Sie ist mit der Basketballerin Sue Bird verheiratet, legte sich mit Trump an, beugte 2016 als erste weisse Athletin das Knie zur Nationalhymne – ein Protest gegen Rassismus und Polizeigewalt – und setzt sich lautstark für bessere Bedingungen im Frauenfussball ein. Dass es ihr um mehr geht als ihren persönlichen Erfolg, machte sie auch nach ihrem letzten Spiel für das Nationalteam klar: Sie sei stolz auf alles, was sie und ihr Team auf und neben dem Feld erreicht hätten.

Und machen wir uns nichts vor: Frauen, die politisch unbequeme Positionen vertreten, bekommen eh jede Menge Hass ab. Verschossener Elfmeter hin oder her.

Übrigens hat Rapinoe nach dem Verschiessen des Penaltys auch geweint – bloss gingen diese Bilder nicht um die Welt.