Im Affekt: Riss in der Schale

Nr. 37 –

Es lässt sich nicht mehr leugnen, die Diagnose ist klar: Die Schweiz hat einen Riss in der Schale. Eine Röhre seit einem Unfall verstopft, jetzt bröckelt eine andere an der Decke, das Land damit zweifach verkehrsbehindert. Doppelt traumatisch! Umso wichtiger wäre in Zeiten wie diesen ein Bundesrat, der kein Blatt vor den Mund nimmt statt nur keines in die Hand.

«Ich lese keine Zeitungen mehr», sagte Ignazio Cassis (FDP) an einer Wahlkampfveranstaltung im Tessin. Das, muss man leider sagen, erklärt so einiges.

Ein Bundesrat, der redet wie ein newsdeprivierter Teenager? Es gibt doch einen entscheidenden Unterschied: Der Teenager verkündet seine Ignoranz gewöhnlich nicht so stolz von der Kanzel. Aber so hat halt jedes Land die Regierung, die es verdient, und in unserer direkten Musterbasisdemokratie gilt das immer noch ein bitzeli mehr.

Das sieht man auch im Parlament. Die gleichen Köpfe, die im Wahlkampf die Angst vor der Zehn-Millionen-Schweiz schüren, beschliessen dort, die Autobahn auf sechs Spuren auszubauen. Jetzt aber bitte keine Empörungsfloskeln von wegen Klimakrise und so, das wäre billige Polemik. Wenn die rechtsbürgerlichen Kräfte schon derart konsequent sind in ihrer Politik, haben sie sich auch mal ein Kompliment verdient.

Denn wer mit der Angst vor ungebremster Zuwanderung hausieren geht, sollte doch auch Lösungen parat haben. Also eben zum Beispiel bauliche Massnahmen, damit die gestaute Angst auf gesunde Weise kanalisiert werden kann. Und wo könnte das besser funktionieren als auf unseren Nationalstrassen? Mehr Menschen brauchen mehr Platz auf der Strasse, so geht das kleine Einmaleins der lösungsorientierten Politik. Am Gotthard ebenso: Wenn die Zehn-Millionen-Schweiz kommt, braucht es dringend politische Rezepte gegen Verstopfung, auch im Berg. Zweite Röhre jetzt!

Was garantiert mehrheitsfähig wäre in der Schweiz: der automatische Automobilnachzug.