Pop: Trost aus dem Hinterhalt

Nr. 39 –

Albumcover «The Land Is Inhospitable and So Are We» von Mitski
Mitski: «The Land Is Inhospitable and So Are We». Dead Oceans / Cargo Records 2023.

Genau 51 Sekunden braucht dieses Album, dann hat es uns in der Tasche. Bis dahin vier simple Akkorde, sachte auf der Folkgitarre geschrummt, dazu singt Mitski fast ein wenig unterspannt von einem Insekt in ihrem so gut wie leeren Glas. Aber dann, «sometimes a drink feels like family», und beim nächsten Einsatz: Hoppla, wow! Was kommt denn da plötzlich aus dem Hinterhalt?

Es ist ein grandioser Moment, so lustig, dass man beim ersten Mal direkt erschrickt, aber eben auch ungemein tröstlich. Und er deutet schon an: Hier kann alles passieren, auf diesem siebten Album der US-Sängerin mit japanischen Wurzeln. «The Land Is Inhospitable and So Are We» heisst es, elf kurze Songs, die ein inniges Unbehagen durchzieht, bis sich dieses zuletzt in postkoitaler Self-Care verflüssigt.

Aber von wegen ungastlich: Musikalisch ist das flauschiger, weniger auf exaltierten Kunstpop gebürstet als ihre letzten Alben. Das schleppende Grungeriff von «Buffalo Replaced» ist noch eine falsche Fährte, später gibts viel Pedal-Steel-Gitarre mit Anflügen von Country, immer mal wieder auch einen opulent orchestrierten Ausflug in Richtung Musical. Und dann und wann ein Lied von so beiläufiger Grösse, dass man es locker für einen vergessenen Schatz aus dem Great American Songbook halten könnte («My Love Mine All Mine»).

Das alles fügt sich auch dann verblüffend unangestrengt zusammen, wenn es mal ein wenig anstrengender wird. Etwa in «The Deal», wo am Ende das anschwellende Schlagzeug ins Stottern kommt. Oder in «Star», wenn das Funkeln der Streicher immer weiter anschwillt, bis sich alles in ein grosses dissonantes Unbehagen verwandelt – kosmisches Werden und Vergehen in unter drei Minuten.

So kommts halt, wenn wir die romantische Metapher von der Liebe als Stern am Himmel mal beim Wort nehmen, wie das Mitski hier tut: Von der Erde aus siehst du einen Stern auch dann noch leuchten, wenn er schon längst erloschen ist. Aber sie lasse ein Restlicht an, singt Mitski, «damit du immer noch hinaufschauen kannst».