EU-Verhandlungen: Die Sache ist im Schwung

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Vor dem Verhandlungsstart mit der EU hat sich die innenpolitische Gemengelage langsam sortiert: Während die parlamentarische Linke dem Bundesrat ihre Unterstützung unter Vorbehalt signalisiert, bleiben die Gewerkschaften kritisch.

Man stelle dem Bundesrat «keinen Blankoscheck» aus, sagte Markus Dieth zwar und betonte, dass der Schweiz noch ein langer Verhandlungsweg bevorstehe. Gleichzeitig liess der Präsident der Konferenz der Kantonsregierungen (KdK) am Freitag in Bern gegenüber den Medien aber keine Zweifel aufkommen: Der Bundesrat wird die Kantone mit im Boot haben, wenn er bald in die Verhandlungen mit der EU-Kommission über ein neues Vertragswerk steigt. «Bundesrat und Kantonsregierungen haben das gleiche Ziel», sagte der Aargauer Mitte-Regierungsrat. «Wir wollen den Wohlstand der Schweiz sichern und deshalb die bilateralen Beziehungen zur EU auf eine solide und dauerhafte Grundlage stellen.»

Die Kantone gehören zu jenen institutionellen Akteuren, auf deren Rückmeldung der Bundesrat warten wollte, bevor er seine Verhandlungsdelegation mit einem fixen Mandat ausstatten würde. Die KdK habe lange debattiert, Dutzende Änderungsanträge besprochen und schlussendlich mit grosser Mehrheit ihre Position gefasst, erklärte Dieth. Einzig Schwyz sperrte sich am Ende dagegen, Nidwalden enthielt sich.

Zugeständnisse sind nötig

So stützt das KdK-Präsidium den Bundesrat nun auch in jenen Streitpunkten, die auf bürgerlichen Argwohn stossen: etwa wenn es um die Personenfreizügigkeit geht, um die geplanten paritätischen Schiedsverfahren und die Rolle des Europäischen Gerichtshofs oder um den Schutz der Sozialwerke vor Missbrauch. Offensichtlich zahlt sich die Strategie des Bundesrats aus, die Kantone schon früh sehr eng in den Verhandlungsprozess einzubeziehen: Bei jeder Gelegenheit lobten ihn die anwesenden KdK-Vertreter am Freitag dafür.

Immer deutlicher wird somit das politische Gesamtbild erkennbar, das die anstehenden EU-Debatten prägen wird. Auf der einen Seite die politische Rechte rund um die SVP, die kompromisslos ihre vernichtenden Urteile zu «Kolonialverträgen» und «fremden Richtern» platziert – und damit letztlich auf eine inhaltliche Mitsprache verzichtet. Daneben die restlichen bürgerlichen Parteien, die zusammen mit den grossen Wirtschaftsverbänden auf eine Einbindung in den EU-Binnenmarkt drängen. Und auf der anderen Seite die parlamentarische Linke, die stets ihre grundsätzliche Zugewandtheit zu Europa unterstreicht, ohne sich aber den Liberalisierungsprogrammen der EU-Kommission ausliefern zu wollen.

Dieses Bild hatte sich bereits Mitte der letzten Woche gezeigt, als die Aussenpolitische Kommission des Nationalrats ihre wohlwollende Position zum bundesrätlichen Verhandlungsmandat präsentierte: Während die neun SVP-Kommissionsmitglieder ihre Unterstützung verweigerten, einigten sich alle anderen auf eine Stellungnahme, in der die Kommission vom Bundesrat fordert, seine Verhandlungsleitlinien in einigen Punkten anzupassen – zur Stützung des Lohnschutzes sowie zur Eindämmung der Liberalisierung in den Einzelabkommen zum Strommarkt und zum Personenschienenverkehr. Es sind linke Forderungen, die damit Gehör fanden. Entsprechend zufrieden äussert sich SP-Kommissionsmitglied Fabian Molina: «Es hat sich gezeigt, dass die breite Europa-Allianz von SP bis FDP gemeinsam Resultate erzielen kann.»

Wenig Zeit für Korrekturen

Ob der Bundesrat am Ende aber auch die Gunst der Gewerkschaften gewinnt, bleibt fraglich. Pierre-Yves Maillard, Präsident des Schweizerischen Gewerkschaftsbunds (SGB) und SP-Ständerat, hat in diesem Jahr harte Kante gezeigt: Die Gewerkschaften würden das Mandat in der vorliegenden Form «niemals unterstützen», liess er verlauten. Er ist offensichtlich bereit, mit hohem Einsatz zu pokern, um elementare Zugeständnisse zu erzwingen. Nicht nur aussenpolitisch vom Bundesrat, sondern auch innenpolitisch, insbesondere vom Arbeitgeberverband. Medial wurde der Gewerkschaftschef in der Folge zum mächtigsten Politiker des Jahres hochgeschrieben.

Im vorliegenden Mandatsentwurf ortet der SGB zwar einige Verbesserungen gegenüber dem Status quo. In einer umfangreichen Stellungnahme überwiegen die zahlreichen Kritikpunkte aber deutlich: Beim Lohnschutz drohen demnach einschneidende Verschlechterungen, vom vieldiskutierten EU-Spesenreglement über den drohenden Wegfall von Dienstleistungssperren bis hin zur Begünstigung von Scheinselbstständigkeiten. Und bei den umstrittenen Strom- und Schienenverkehrsabkommen pocht auch der Gewerkschaftsbund vehement auf Kooperations- statt Liberalisierungsmodelle.

Noch hat der Bundesrat die Möglichkeit, die Kritik aufzugreifen. Viel Zeit wird er sich allerdings kaum mehr nehmen, die Sache ist im Schwung: Nächste Woche dürfte sich auch die Aussenpolitische Kommission des Ständerats äussern, anschliessend soll das Verhandlungsmandat finalisiert werden.

SGB-Chefökonom Daniel Lampart wagt noch keine positive Prognose: Es sei noch nicht klar, ob sich der Bundesrat zu entscheidenden Verbesserungen werde durchringen können – und ob er das überhaupt wolle. «Mit dem vorliegenden Sondierungsergebnis wird aber keine Bevölkerungsmehrheit zu gewinnen sein», ist Lampart überzeugt.