Spanien: Warten auf den Regen

Nr. 8 –

Katalonien durchlebt die historisch schlimmste Dürre. Mehr Entsalzungsanlagen sollen den unstillbaren Durst von Landwirtschaft, Industrie und Tourismus löschen.

Ruinen des ehemaligen katalonischen Dörfchen Sant Romà de Sau sind im ausgetrockneten Stausee ersichtlich
Stand Ende Januar 2024: Normalerweise ragt vom ehemaligen katalonischen Dörfchen Sant Romà de Sau nur die Kirchturmspitze aus dem Stausee. Foto: Nacho Doce, Reuters

Das Worst-Case-Szenario ist in Katalonien Realität geworden: Die spanische Region im Nordosten des Landes hat den Dürrenotstand ausgerufen. Flussbetten sind ausgetrocknet, der Füllstand von Wasserspeichern ist auf unter sechzehn Prozent gefallen. Mancherorts fliesst kein Wasser mehr aus dem Hahn.

Es ist die schlimmste Dürre, seit es Aufzeichnungen gibt. Seit 37 Monaten regnet es nicht genug. An manchen Orten ist seit drei Jahren kein Tropfen vom Himmel gefallen. Dürren sind in der Region zwar kein neues Phänomen, doch sorgt die Klimaveränderung dafür, dass sie häufiger auftreten und länger dauern. Betroffen ist derzeit nicht nur Katalonien, sondern die gesamte östliche Küste Spaniens.

Mit Ausrufung des Notstands gelten Massnahmen, um den Wassermangel in den Griff zu bekommen. Sie können noch verschärft werden, wenn der Regen weiter ausbleibt. Betroffen sind in Katalonien sechs von knapp acht Millionen Menschen, die vor allem im Grossraum Barcelona leben. Pro Kopf und Tag dürfen seit dem 1. Februar maximal 200 Liter verbraucht werden. Die Bewohner:innen Barcelonas kommen aber ohnehin schon mit der Hälfte aus.

Die Erinnerung an die Dürre von 2008 sitzt tief. Um die Wasserversorgung zu sichern, wurde damals sogar Wasser von der Rhone per Schiff aus Frankreich hergeschafft. Ein ähnliches Szenario könnte sich im Frühsommer wiederholen. Bislang sind die Wasserlimits in Barcelona allerdings nur in Form gesperrter Duschen in Sportanlagen spürbar. Verboten ist zudem das Wässern von Gärten und das Befüllen von Pools.

Der Durst der Schweine

Anders auf dem Land. Die Einschränkungen treffen Landwirtinnen besonders hart: Um ihre Felder zu bewässern, müssen sie mit einem Fünftel der bisherigen Wassermenge auskommen. Viehhalter dürfen nur noch die Hälfte verbrauchen. Das sorgt für Unverständnis bei den Betroffenen. «Ich kann einem Schwein ja nicht sagen, es soll weniger trinken», sagte Josep Maria Casafont, Bürgermeister in Navès, der Lokalzeitung. Der Ort hat 315 Einwohner:innen, wegen der angesiedelten Schweineindustrie müssen aber Tausende Tiere mit Wasser versorgt werden.

Gemeinsam mit Bürgermeister:innen aus der Gegend kritisiert Casafont, dass die Massnahmen unrealistisch seien und im Widerspruch zum Tierwohlgesetz stünden. Katalonien hat eine grosse, exportorientierte Schweinefleischindustrie. Sie verbraucht nicht nur viel Wasser, sondern belastet auch Gewässer mit Nitraten. Bereits vierzig Prozent des Grundwassers sind betroffen. Zur Knappheit gesellt sich also auch die Verschlechterung der Qualität.

Über ihre Wasserverhältnisse leben besonders reiche Gemeinden: 13 der 25 reichsten Gemeinden in Katalonien haben in den zehn letzten Monaten, als noch etwas höhere Limits galten, mehr Wasser verbraucht als erlaubt, wie das Investigativmedium «Crític» herausgefunden hat. In Matadepera, dem reichsten Ort der Gegend, wird dreimal so viel Wasser verbraucht wie in Salt, dem ärmsten Ort.

In der Kritik steht auch der Massentourismus. Touristinnen verbrauchen im Schnitt doppelt so viel Wasser wie Ortsansässige – und in Barcelona stieg die Zahl der Besucher 2023 um 22 Prozent. «Angesichts der Wasserknappheit überrascht es, dass wir immer noch auf den Tourismus setzen», empört sich Dante Maschio von der Organisation Aigua és vida (Wasser ist Leben).

Entsalzungsanlagen mit Rückständen

Wassersparen ist in Katalonien das Mantra der Stunde. Mittel- und langfristig ist jedoch eine Erhöhung der Wasserverfügbarkeit vorgesehen. Dafür verdreifacht die Region die Investitionen in die Infrastruktur auf 950 Millionen Euro. Eine zentrale Rolle für die Wasserbeschaffung spielen Entsalzungsanlagen. Spanien ist bei dieser Technik weltweit führend. Bereits 1965 wurde ein erstes Werk auf Lanzarote errichtet. Heute stehen in Spanien 765 Anlagen, zwei davon in Katalonien mit einer jährlichen Kapazität von 80 Millionen Kubikmetern. Bis ins Jahr 2027 sollen die Kapazitäten durch den Ausbau der bestehenden Anlagen sowie den Bau eines dritten Werks in Foix auf 140 Millionen Kubikmeter erhöht werden.

Die Entsalzungsanlage in El Prat de Llobregat ist die grösste in Europa und produziert bereits heute mehr als die Hälfte des Trinkwassers für Barcelona. Allerdings ist das so gewonnene Wasser dreimal so teuer wie jenes aus natürlichen Quellen, und der Prozess verbraucht viel Energie. Ein Risiko stellen auch die Rückstände aus dem Entsalzungsprozess dar: eine hochkonzentrierte Salzlauge, die im Meer entsorgt wird.

Die Forscherin Annelies Broekman von der Autonomen Universität Barcelona sieht die Pläne denn auch kritisch: Auf Entsalzungsanlagen könne punktuell zurückgegriffen werden, sie seien aber keine Dauerlösung. Das Problem sei die chronische Übernutzung der Wasserressourcen. Sie fordert ein Überdenken des wirtschaftlichen Modells, das darauf ausgelegt ist, die Nachfrage zu decken. Stattdessen sollte der Erhaltung der Wasserressourcen Vorrang eingeräumt und nur die Menge an Wasser entnommen werden, die für die Erhaltung natürlicher Zyklen verträglich ist. Die intelligenteste Lösung bestehe darin, weniger Wasser zu verbrauchen.