Dänemark: Feine Risse, grosse Wirkung

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Ab 2007 müssen die Unternehmen Statistiken liefern, die die Firmenlöhne nach den Geschlechtern differenzieren.

Es gibt sie, die modernen Väter, zumindest in Kopenhagen. Auf Fahrrädern bringen sie morgens ihre Kinder in den Hort oder schieben, zusammen mit anderen Papas, Kinderwagen durch den Park. Die Aufgabenteilung innerhalb der Familie ist in Dänemark alltäglich. Denn obwohl die Däninnen europaweit mit am meisten Kinder kriegen, vom Hausfrauendasein haben sie sich schon lange verabschiedet: Die meisten Frauen gehen arbeiten, siebzig Prozent von ihnen in Vollzeitstellen (in der Schweiz liegt der Anteil bei vierzig Prozent). Die Däninnen sind unverzichtbare Steuerzahlerinnen. Als Gegenleistung bietet ihnen der Staat ein dichtes Netz an Betreuungsangeboten für Kinder oder einen bezahlten Elternurlaub von insgesamt 52 Wochen.

Weniger Lohn

Doch das scheinbar perfekte Bild einer gerechten Aufgabenteilung in Familie und Beruf zeigt Risse, sobald es um die Lohngleichheit geht. Nach jahrelangem Kampf wurde «Gleicher Lohn für gleiche Arbeit» zwar 1976 gesetzlich verankert. Dennoch erhalten Männer nach wie vor durchschnittlich zwischen zwölf und neunzehn Prozent mehr Lohn. In der Privatwirtschaft kann der Unterschied sogar über zwanzig Prozent ausmachen. Das ist erstaunlich in einem Land, in dem Gleichberechtigung so selbstverständlich ist. Karen Hallberg, Präsidentin der ältesten Frauenorganisation des Landes, Dansk Kvinde Samfund, sieht gerade in diesem Selbstverständnis eine Erklärung dafür, weshalb so wenige Frauen Handlungsbedarf sehen.

Die Gründe für die Lohnunterschiede sind vielschichtig: Zum einen wählen Frauen oft eine Ausbildung, die in schlecht bezahlte Berufe führt. Doch auch bei gleichen Voraussetzungen erhalten Frauen eher routinegeprägte Aufgaben, während sich Männer in Herausforderungen profilieren können, die ihre Karriere fördern. Das zeigt eine nationale Studie über die Verteilung der Geschlechter auf dem dänischen Arbeitsmarkt. Dabei kommt Helle Holt vom Sozialforschungsinstitut in Kopenhagen zum Schluss, dass diese Prozesse oft unbewusst ablaufen.

Das grösste Hindernis für eine Lohn- und Chancengleichheit ist jedoch die Geburt eines Kindes: Es sind nämlich in der Regel die Frauen, die den Grossteil des gemeinsamen Elternurlaubs beziehen - in Absprache mit den UnternehmerInnen. Die Männer bleiben in dieser Zeit dem Arbeitsplatz erhalten, was sich positiv auf Lohn und Karriere auswirkt. Der Frauenanteil in Kaderpositionen ist landesweit mit vier Prozent dementsprechend mager.

Die Rollenteilung besteht auch dann fort, wenn die Frau wieder in ihren Beruf einsteigt. So trägt sie die Hauptverantwortung für die Familie, während der Vater als Hauptversorger gilt. «Das widerspiegelt sich in praktischen Fragen wie: Wer kauft Milch, wer bringt oder holt die Kinder, oder wer bleibt zu Hause, wenn ein Kind krank ist?», sagt Holt. Bedeutsam sei, dass vor allem die UnternehmerInnen von diesem althergebrachten Rollenmodell ausgingen. Die Wirklichkeit in den Familien sehe jedoch anders aus. Untersuchungen haben gezeigt, dass Männer die Kinder mitbetreuen wollen. «Dänische Männer sind sehr gerne mit ihren Kindern zusammen», sagt Holt. «Aber die Kultur an den Arbeitsplätzen hat sich noch nicht dementsprechend verändert.»

Däninnen mit besseren Noten

Den Weg dazu soll ab 2007 eine nach Geschlecht aufgeschlüsselte Lohnstatistik öffnen - erstellt von den Unternehmen. Während diese wenig begeistert über den staatlich vorgeschriebenen Auftrag sind, wertet Karen Hallberg die Massnahme als kleinen Schritt in die richtige Richtung. Noch entscheidender wäre für Dansk Kvinde Samfund jedoch, die Aufteilung des Elternurlaubs klar zu regeln. In diese Richtung geht auch ein Vorstoss der linken Parteien. Sie fordern, dass der Vaterschaftsurlaub auf zwölf Wochen festgeschrieben wird. «Wir sind nicht zufrieden, bevor sich nichts zu ändern beginnt», sagt auch Sofie Carsten Nielsen vom Departement für Gleichstellung. Ein besonderes Augenmerk richten sie dabei auf die UnternehmerInnen und die Berufswahl der Jugendlichen.

Beliebte Vorzeigekinder in Sachen Gleichstellung sind die dänische Telefongesellschaft TDC oder das Finanzunternehmen Nykredit. Holt ist überzeugt, dass es nicht bei diesen Einzelbeispielen bleiben wird. Denn die Däninnen schreiben bereits heute die besseren Noten und können häufig auch bessere Ausbildungen vorweisen als die Männer. «Bald stehen wir vor einer Nation mit sehr vielen gut ausgebildeten Frauen und weniger gut ausgebildeten Männern. Das wird sich auf den Arbeitsplatz auswirken. Doch das passiert nicht von heute auf morgen.»